18. 06. 2024

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18. 06. 2024

Verkehrspolitische Beschlüsse: Sommersession 2024

Zwischen dem 27. Mai und dem 14. Juni fand die Sommersession 2024 der eidgenössischen Räte statt. Nachfolgend werden die wichtigsten Beschlüsse zu verkehrspolitischen Geschäften in Kurzform zusammengefasst. Die Auflistung ist nicht abschliessend.

Die wichtigsten verkehrspolitischen Beschlüsse aus der Sommersession 2024 der eidgenössischen Räte. © Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG

Jeweils eine Woche vor Beginn der Session der eidgenössischen Räte fasst die LITRA relevante verkehrspolitische Geschäfte der anstehenden Session in ihrer verkehrspolitischen Vorschau kurz und knapp zusammen. Die aktuelle verkehrspolitische Vorschau zur Frühjahrssession ist online zugänglich und kann via Newsletter abonniert werden. In den verkehrspolitischen Beschlüssen werden nach Sessionsende die wichtigsten Entscheide, welche den öffentlichen Verkehr betreffen, zusammengefasst. Weiterführende Informationen zu den jeweiligen Geschäften sind in der aktuellen verkehrspolitischen Vorschau oder auf der verlinkten Seite des Parlamentsgeschäfts zu finden.

Güterverkehr: weitere Massnahmen für die Verkehrsverlagerung

Alle zwei Jahre informiert der Bundesrat über den Stand der Verlagerung im Gütertransport und schlägt gegebenenfalls weitere Massnahmen zur Förderung der Verkehrsverlagerung vor. Im Rahmen der Sommersession hat der Nationalrat den Bericht zur Verkehrsverlagerung 2023 zur Kenntnis genommen und gleichzeitig drei Vorstössen aus der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) zugestimmt:

  • Ausbau linksrheinischer NEAT-Zubringer: Gemäss der Motion 24.3389 soll sich der Bundesrat dafür einsetzen, dass das Nadelöhr auf dem NEAT-Zubringer Metz–Strasbourg–Basel für den kombinierten Verkehr (KV) auf ein Vier-Meter-Korridor-Profil ausgebaut werden kann. Zudem soll der Bundesrat Frankreich eine finanzielle Unterstützung in Aussicht stellen. Das entspricht dem Vorgehen der Schweiz bei ähnlichen früheren Projekten, etwa dem Vier-Meter-Korridorausbau der Luino–Strecke oder der Strecke Simplon–Domodossola–Novara. Der Nationalrat hat der Motion mit 126 zu 68 Stimmen zugestimmt.
  • Bereitstellung von Puffergleisen: Die Motion 24.3390 fordert die Bereitstellung von Puffergleisen entlang des Nord-Süd-Korridors auf beiden Seiten der Alpen. Dort sollen Züge vorübergehend abgestellt werden können, wenn sie wegen Störungen nicht fahren können. Laut KVF-N sind dafür 15 bis 20 Puffergleise im Norden (Offenburg, Basel, Dottikon) und 6 bis 10 Puffergleise im Süden (Chiasso, Bellinzona, Domodossola) zur Verfügung zu stellen. Der Nationalrat hat der Motion mit 127 zu 66 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt.
  • Stärkere Verlagerung auf mittlere Transportdistanzen: Mit der Motion 24.3391 verlangte der Nationalrat zudem mehr Geld, damit auch auf mittleren Distanzen mehr Güter auf Züge verladen werden. Der Bundesrat schlägt im Verlagerungsbericht 2023 vor, einen Teil der Fördermittel von den langen auf die mittellangen Distanzen umzuwidmen. Aus Sicht der KVF-N sei eine solche Mittelverlagerung von langen Distanzen zugunsten der mittleren Distanzen gefährlich für die Schweizer Verlagerungspolitik. Gerade der Verkehr, der sich über lange Distanzen zieht und durch das benachbarte deutsche Netz fährt, leide unter den Qualitätsdefiziten des kombinierten Verkehrs. Die KVF-N befürchtet, dass eine Fördermittelumverteilung zu einer Rückverlagerung vom Schienengüterverkehr auf die Strasse führen könnte. Damit die mittleren Transportdistanzen stärker verlagert werden können, seien zusätzliche Fördermittel von 15 Millionen Franken bereitzustellen. Der Nationalrat hat der Motion mit 121 zu 70 Stimmen bei vier Enthaltungen zugestimmt.

Nichts wissen wollte der Nationalrat von zwei weiteren Kommissionsvorstössen der KVF-N. So lehnt er mit 106 zu 88 Stimmen bei einer Enthaltung das Postulat 24.3392 ab, welches beim Bundesrat die Prüfung einer neuen Alpentransitabgabe in Auftrag geben wollte. Dieses Anliegen sei schon mehrmals geprüft worden. Mit 99 zu 93 Stimmen bei 3 Enthaltungen ebenfalls abgelehnt wurde die Motion 24.3393, welche eine vollumfängliche Anpassung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) an die Teuerung vorsieht. Diese beiden Vorlagen sind definitiv vom Tisch.

Die drei angenommenen Motionen gehen weiter an den Ständerat.

24.3389 Motion Ausbau linksrheinischer NEAT-Zubringer im Interesse der Verlagerung vorantreiben

24.3390 Stabilisierung des kombinierten Verkehrs auf der Nord-Süd-Achse durch die Bereitstellung von Puffergleisen

24.3391 Für eine stärkere Verlagerung auf mittlere Transportdistanzen

SBBG: Keine Einigkeit bei der Darlehensfrage

Die Verschuldung der SBB hat in den letzten Jahren zugenommen. Mit einer Anpassung des Bundesgesetzes über die schweizerischen Bundesbahnen (SBBG) will der Bundesrat die finanzielle Situation und die Investitionsfähigkeit der SBB stärken. Nachdem der Nationalrat dem Anliegen in der Wintersession 2023 mit einzelnen Anpassungen gefolgt ist, hat in der Sommersession auch der Ständerat einzelne Punkte der Vorlage angenommen. Weiterhin bestehen Differenzen bei der Frage der Darlehensgestaltung.

  • Kapitalzuschuss: National- und Ständerat stimmten einem einmaligen Kapitalzuschuss von 1,15 Milliarden Franken zu. Der Kapitalzuschuss soll den SBB dabei helfen, die Folgen der Ertragsausfälle während der Corona-Pandemie zu bewältigen. Das Parlament hatte dies mit der Motion 22.3008 verlangt. Mit 21 zu 20 Stimmen ohne Enthaltungen folgte der Ständerat in der Frage des Kapitalzuschusses der Mehrheit seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-S). Der Antrag der Minderheit, den Betrag auf 600 Millionen Franken zu kürzen, wurde abgelehnt.
  • LSVA: Teil der Vorlage ist auch eine Aufstockung der Reserven des Bahninfrastrukturfonds (BIF). Der Bundesrat möchte die Liquidität des BIF gewährleisten und damit die Finanzierung der geplanten Bahninfrastrukturprojekte sicherstellen. Er schlug deshalb vor, dass der Maximalanteil von zwei Dritteln des Reinertrages der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in den BIF fliessen soll, wenn dessen Reserven das angemessene Niveau unterschreiten. Der Nationalrat hat im Rahmen der Wintersession dieses Reserveniveau auf 300 Millionen Franken veranschlagt. Der Ständerat ist in der Sommersession dem Antrag des Nationalrats gefolgt.
  • Darlehen: Eine Differenz schuf der Ständerat bei den Regeln für Darlehen des Bundes an die SBB. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, dass die SBB ab einem bestimmten Verschuldungsniveau von Tresorerie- zu Haushaltsdarlehen des Bundes übergehen müssen. Damit würden die Gelder der Schuldenbremse unterstehen. Der Nationalrat hatte die Bestimmung im Dezember aus der Vorlage gestrichen. Mit dieser Regelung würden Darlehen auf Kosten anderer Bundesaufgaben gehen, bei denen infolgedessen gespart werden müsse. Der Ständerat seinerseits sprach sich nun zwar für eine Obergrenze bei den Tresoreriedarlehen aus. Er möchte die Festlegung dieser Obergrenze jedoch flexibler gestalten als der Bundesrat.

Das Geschäft geht zurück an den Nationalrat.

23.063 Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen (SBBG). Änderung

WEURO25: finanzielle Unterstützung für den öffentlichen Verkehr

Mit bis zu 15 Millionen Franken will der Nationalrat die Frauen-Fussball-EM 2025 in der Schweiz (WEURO25) unterstützen. Das ist fast viermal so viel wie der Bundesrat beantragt hat. Der Nationalrat bewilligte die Aufstockung der Bundesbeiträge an die Fussball-EM im Rahmen der Sommersession. Einerseits bewilligte der Nationalrat zwei Nachtragskredite von je einer Million Franken für Kombitickets für den öffentlichen Verkehr und für Schweiz Tourismus, wobei die Aufstockung für Schweiz Tourismus kompensiert werden muss. Andererseits erhöht er den Verpflichtungskredit für Sportfördermassnahmen von vier auf fünf Millionen Franken. Zusätzlich bewilligte er je einen Verpflichtungskredit von fünf Millionen Franken für öV und Tourismuswerbung. Nun ist der Ständerat am Zug. Seine vorberatende Kommission empfiehlt, dem Aufstockungsantrag des Nationalrats zu folgen.

24.3011 Die Chance der UEFA Women’s EURO 2025 nachhaltig nutzen

Ticketing: Kauf von Fahrausweisen soll auch zukünftig mit Bargeld möglich sein

Passagiere des öffentlichen Verkehrs sollen auch in Zukunft Fahrscheine mit Bargeld oder einfachen Alternativen, wie beispielsweise Prepaid-Karten bezahlen können. Nachdem in der Wintersession der Nationalrat der Motion 23.4276 zugestimmt hatte, hat sich in der Sommersession auch der Ständerat stillschweigend für den Vorstoss ausgesprochen. Die Motion wird an den Bundesrat weitergeleitet, mit dem Auftrag, entsprechende Massnahmen zu erarbeiten.

23.4276 Barzahlung in subventionierten Transportmitteln beibehalten

Glarus: kein Abbau des öffentlichen Verkehrs

Glarnerinnen und Glarner sollen auch in Zukunft umsteigefrei im Zug von Glarus nach Rapperswil und Zürich reisen können. Nachdem der Ständerat den Vorstoss in der Wintersession angenommen hatte, stimmte in der Sommersession auch der Nationalrat mit 183 zu 6 Stimmen bei 7 Enthaltungen der Motion 23.4209 zu. Die Motion wird an den Bundesrat weitergeleitet, mit dem Auftrag, entsprechende Massnahmen zu erarbeiten.

23.4209 Keine Verschlechterung des öV für den Kanton Glarus

Gemeindetageskarte: «Spartageskarte Gemeinde» sei passable Alternative

Der Nationalrat lehnt in der Sommersession mit 125 zu 47 Stimmen bei 14 Enthaltungen die parlamentarische Initiative 23.486 ab, welche die Aufnahme der vergünstigten Gemeindetageskarten in Artikel 16 des Personenbeförderungsgesetzes (PBG) vorsieht. Der Nationalrat ist damit der Mehrheit der KVF-N gefolgt. Diese war der Ansicht, dass mit dem Nachfolgeangebot «Spartageskarte Gemeinde» ein gutes und flexibles Produkt in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Städten entwickelt wurde. Zudem liege die Tarifgestaltung innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Transportunternehmen. Die Vorlage ist definitiv vom Tisch.

23.486 Gemeindetageskarten erhalten

Halbtax: keine zusätzlichen Anreize durch angepasste Halbtax-Preise

Im Rahmen der Sommersession lehnt der Nationalrat mit 132 zu 62 Stimmen bei einer Enthaltung die Motion 22.3752 für einen attraktiveren Halbtax-Preis ab. Die Motion wollte vom Bundesrat Massnahmen fordern, um Personen ohne Halbtax-Abo den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu erleichtern. Dazu sollten neue Anreize geschaffen werden. Der Bundesrat empfahl die Ablehnung der Motion mit Verweis auf das Personenbeförderungsgesetz (PBG) und die Zuständigkeit der Transportunternehmen in der Tarifgestaltung. Die Vorlage ist definitiv vom Tisch.

22.3752 Für einen attraktiveren Halbtax-Preis

Mobilitätsgutscheine: keine zusätzlichen Vergünstigungen für Personen mit niedrigerem Einkommen

Im Rahmen der Sommersession lehnt der Nationalrat mit 133 zu 61 Stimmen bei einer Enthaltung die Motion 22.3669 für öV-Mobilitätsgutscheine für Personen mit niedrigerem Einkommen ab. Die Motion wollte vom Bundesrat Massnahmen fordern, um Personen mit niedrigerem Einkommen den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu erleichtern. Dazu sollten Mobilitätsgutscheine, wie beispielsweise REKA-Rail-Checks, ausgestellt werden. Der Bundesrat empfahl die Ablehnung der Motion mit Verweis auf das Personenbeförderungsgesetz (PBG) und die Zuständigkeit der Transportunternehmen in der Tarifgestaltung. Die Vorlage ist definitiv vom Tisch.

22.3669 ÖV-Mobilitätsgutscheine für Personen mit niedrigerem Einkommen

Schifffahrt: Keine Tonnagesteuer für Seeschiffe in der Schweiz

Die Schweiz besteuert Reedereien auch in Zukunft nicht pauschal mittels Tonnagesteuer. Der Nationalrat hat sich im Rahmen der Sommersession mit 108 zu 75 Stimmen bei zwei Enthaltungen dem Nichteintretensentscheid des Ständerats angeschlossen und ist damit auch dem Antrag der Mehrheit seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) gefolgt. Dieser Entscheid ist insofern eine Kehrtwende als der Nationalrat die Vorlage in der Wintersession 2022 noch unterstützt hatte. Wie im Frühjahr im Ständerat, überwogen zwischenzeitlich aber auch im Nationalrat die Sorgen um die Bundesfinanzen und Zweifel an der Verfassungsmässigkeit der Vorlage. Der Bundesrat wollte mit der Einführung der Tonnagesteuer die Besteuerung von Seeschifffahrtsunternehmen in der Schweiz denen der EU anpassen. So weit wird es nicht kommen. Die Vorlage ist definitiv vom Tisch.

22.035 Tonnagesteuer auf Seeschiffe. Bundesgesetz

Eingereichte Vorstösse

Neben den traktandierten Geschäften wurden seitens Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch verschiedene Vorstösse eingereicht. Unter anderem (nicht abschliessend):

  • Motion: Angleichung des Rentenalters von Mitarbeitenden der Flugsicherung (24.3482)
  • Motion: Bundesfinanzen stabilisieren: Mehrwertsteuer im Flugverkehr (24.3680)
  • Motion: Betriebszeiten der Schweizer Landesflughäfen rechtsverbindlich regeln (24.3745)
  • Motion: Fernverkehr nach Lyon vorantreiben (24.3770)
  • Motion: Prüfung von Intercity-Halten in Frutigen, um die Region Frutigland wieder angemessen ans SBB-Netz und direkt ans Wallis anzubinden (24.3781)
  • Motion: Ausbau Zürich-München (24.3802)
  • Postulat: Stärkung der Ost-West-Eisenbahnverbindung über den Pied-du-Jura, ohne andere Angebote zu verschlechtern (24.3483)
  • Postulat: Grenzüberschreitende Ballungsräume, nationale Herausforderungen im Bereich der Mobilität (24.3597)
  • Postulat: Stand der Umsetzung der Sicherheitsmassnahmen am Flughafen Zürich (24.3682)
  • Postulat: Schleichverkehr eindämmen mithilfe einer höheren LSVA-Abgabe auf Kantonsstrassen (24.3697)
  • Postulat: Internationale Bahnlinien in Reichweite der Schweiz (24.3797)

Nach der Session ist vor der Session

Die Herbstsession der eidgenössischen Räte findet zwischen dem 9. und dem 27. September statt. In der Woche vor Sessionsbeginn publiziert die LITRA ihre verkehrspolitische Vorschau. Kompakt und verständlich informiert sie die LITRA über die öV-Geschäfte, welche für die Session im National- und Ständerat geplant sind.