02. 05. 2025
Stellungnahme der LITRA zum Entlastungspaket 27 des Bundes
Der finanzielle Druck auf den Bundeshaushalt betrifft alle Bereiche, womit auch der Verkehr nicht von den vorgeschlagenen Sparmassnahmen des Bundes verschont bleibt. Der öffentliche Verkehr ist in der Schweiz jedoch mehr als ein blosser Kostenfaktor. Er ist ein leistungsfähiges, breit genutztes Verkehrssystem, das unsere Regionen verbindet, die Wirtschaft stärkt und einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung unserer Arbeits-, Umwelt- und Energieziele leistet. Aus diesen Gründen lehnt die LITRA die geplanten Sparmassnahmen im Bereich des öV im Rahmen des EP27 ab.

Die LITRA lehnt die geplanten Sparmassnahmen im Bereich des öV im Rahmen des EP27 ab. © SBB CFF FFS
Steigende Fahrgastzahlen und die wachsende Bedeutung des öV für den Alltag der Schweizer Bevölkerung zeigen, dass der öV in unserem Land ein breit etabliertes Erfolgsmodell ist. Erfreulicherweise wurde im vergangenen Jahr mit fast 23 Milliarden Personenkilometern ein neuer, absoluter Rekord bei den Bahnen aufgestellt. Diese erfolgreiche Entwicklung dürfen wir durch kurzfristig orientierte, letztlich kontraproduktive Sparmassnahmen nicht in Frage stellen.
Aus Sicht der LITRA ist es bei Sparvorschlägen im öV vielmehr unerlässlich, eine differenzierte Betrachtung der angestrebten Wirkungen anzustellen. Damit soll sichergestellt werden, dass kurzfristige finanzielle Entlastungen nicht auf Kosten des Systems gehen, das über Jahrzehnte hinweg erfolgreich funktioniert hat und für einen breiten Teil der Bevölkerung unverzichtbar geworden ist.
Investitionen in den öV sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes – in seine Erreichbarkeit, seinen Zusammenhalt und seine nachhaltige Entwicklung.
Ablehnung der Erhöhung des Kostendeckungsgrads im regionalen Personenverkehr (RPV)
Die Schweiz steht vor einer kontinuierlich wachsenden Nachfrage nach Mobilität, bedingt durch das Wachstum der Wohnbevölkerung und des Dienstleistungssektors. Diese Entwicklungen führen zu einer zunehmenden Belastung der Verkehrsnetze, insbesondere im öffentlichen Verkehr, dessen Kapazitäten mitwachsen müssen, um den steigenden Pendler- sowie Einkaufs- und Freizeitströmen gerecht zu werden.
Die geplanten jährlichen Mittelkürzungen von fünf Prozent im regionalen Personenverkehr stehen im Widerspruch zu dieser Notwendigkeit. Einsparungen im RPV können weder durch zusätzliche Effizienzsteigerungen oder Kostensenkungen kompensiert werden, noch ist eine Gegenfinanzierung durch Tariferhöhungen zielführend. Denn dies würde den öV in vielen Regionen unattraktiver machen, insbesondere auf ländlichen Linien mit geringen Frequenzen.
Weiter würde eine Verzögerung bei der Dekarbonisierung von Bussen den Klimazielen der Schweiz entgegenstehen. Die LITRA lehnt daher eine kurzfristige Erhöhung des Kostendeckungsgrades im RPV dezidiert ab, weil dies alternativlos zu erheblichen Tariferhöhungen für die öV-Kundinnen und -Kunden und zu einem Abbau des öV-Angebots in den Regionen führen würde. Dies zu einer Zeit, in der wir den Anteil des öV am Gesamtverkehr erhöhen wollen.
Eine verlässliche und nachhaltige Finanzierung des RPV ist eine wichtige Grundlage dafür, dass mehr Menschen in den öV kommen. Gleichzeitig unterstützt die LITRA aber grundsätzlich die vom Bund vorgeschlagenen Bestrebungen, die Effizienz im RPV weiter zu erhöhen, beispielsweise indem die Bestellverfahren vereinfacht oder der öV bedarfsorientierter weiterentwickelt wird.
Dafür ist jedoch ein ausreichend langer Zeithorizont für die Analyse, Beurteilung und Umsetzung der Massnahmen vorzusehen.
Keine Kürzungen der Einlagen beim Bahninfrastrukturfonds (BIF)
Eine leistungsfähige Bahninfrastruktur ist von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Eisenbahnverkehrs. Die Bahninfrastrukturbetreiberinnen benötigen ausreichende Mittel, um die Substanz der bestehenden Netze zu erhalten und gezielt auszubauen. Dafür liegen mehrjährige Planungen vor.
Zudem müssen die vom Parlament beschlossenen Ausbauschritte des schweizerischen Bahnnetzes gewährleistet werden. Dabei gilt jedoch: Ohne Unterhalt, kein Ausbau!
Für die geplante Kürzung der Einlage in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) um 200 Millionen Franken fehlt eine fundierte und verlässliche Planungsgrundlage. Die Argumentation des Bundes, dass die geplanten Ausbauvorhaben zu zusätzlichen Betriebs- und Unterhaltsaufwänden führen, erweist sich als wenig stichfest, da der anvisierte Zeitraum des Entlastungsprogramms EP27 keinerlei langfristige Planungen zur Finanzierung des BIF berücksichtigt.
Diese Kürzung könnte nicht nur die Umsetzung geplanter Ausbauschritte verzögern, sondern auch bestehende Investitionen in den Substanzerhalt gefährden.
Die LITRA lehnt daher weitere Kürzungen der Einlage in den Bahninfrastrukturfonds entschieden ab. Statt Kürzungen müssen wir auf eine transparente und zukunftsorientierte Finanzierungsstrategie setzen, die die langfristige Sicherstellung der Bahninfrastruktur gewährleistet.
Zudem muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass die BIF-Einlage in den Jahren 2025 und 2026 aufgrund bereits beschlossener Entlastungsmassnahmen des Bundes um insgesamt 450 Millionen Franken reduziert wird.
Keine Kürzungen der Einlagen beim Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF)
Aus dem NAF wird nicht nur der Ausbau der Nationalstrassen, sondern auch deren Unterhalt, die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennetzes und die Agglomerationsprogramme finanziert. Mit den verkehrsträger-übergreifenden Agglomerationsprogrammen werden wichtige Massnahmen für den öV sowie den Bau von Verkehrsdrehscheiben unterstützt.
Eine Kürzung in diesem Bereich schadet den Agglomerationen und den Mobilitätszielen in den Regionen. Beachtet werden muss zudem, dass der Fondbestand im NAF durch die wachsende Elektrifizierung des MIV auch ohne die vorgeschlagene Kürzung Ende der 2020er Jahre abnehmen wird. Vor diesem Hintergrund erachten wir es als nicht zielführend, die NAF-Einlage zu kürzen, bevor eine alternative, langfristige Finanzierung des NAF abgesichert ist.
Sowohl bei den vorgeschlagenen Kürzungen beim BIF wie auch beim NAF gilt, dass die Schuldenbremse nicht zur Infrastrukturbremse werden darf. Nicht realisierte und in die Zukunft verschobene notwendige Investitionen und Unterhaltsarbeiten in Infrastrukturen sind nämlich faktisch nichts anders als Schulden, die wir den nächsten Generationen aufbürden.
Kein Teilverzicht auf Förderung alternativer Antriebssysteme für Busse und Schiffe
Bei der Dekarbonisierung des öV spielt die Elektrifizierung der Busflotten eine Schlüsselrolle. Die damit verbundenen Kosten für Transportunternehmen sind erheblich.
Um diese Umstellung zu beschleunigen, wurde im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes ein Kompromiss zwischen der öV-Branche und dem Bund ausgehandelt: Der Bund beteiligt sich an den Mehrkosten für die Umstellung auf Elektrobusse und die Branche akzeptiert im Gegenzug die Aufhebung der Rückerstattung der Mineralölsteuer.
Umso unverständlicher ist es, dass dieser Kompromiss nun einseitig infrage gestellt wird. Die Schifffahrtsunternehmen wären ebenfalls negativ betroffen, da die Förderung für alternative Antriebe im Schiffsverkehr durch die neue Definition weitgehend ausgehebelt wird.
Dies betrifft vor allem die Flotten, die im nicht abgeltungsberechtigten Verkehr tätig sind, und könnte deren Umstellung auf nachhaltige Antriebe erheblich verzögern. Es ist zwingend, dass die Transportunternehmen über die nötige Planungssicherheit und finanzielle Unterstützung verfügen, um die Dekarbonisierung erfolgreich umzusetzen.
Kein Verzicht auf Förderung des grenzüberschreitenden Personenschienenverkehrs
Die Förderung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs in Höhe von 30 Millionen Franken pro Jahr, die das Parlament vor einem Jahr beschlossen hat, stellt einen wichtigen Schritt dar, um den Fernverkehr auf der Schiene als klimafreundliche Alternative zu Flugreisen zu stärken.
Die LITRA lehnt daher die geplante Änderung des CO2-Gesetzes, Art. 37a, ab und fordert, dass die Förderung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs in der bisherigen Form fortgeführt wird. Nur durch eine konsequente Förderung können wir eine zukunftsfähige und wettbewerbsfähige Schieneninfrastruktur aufbauen, die sowohl die Schweiz als auch ihre internationalen Nachbarn miteinander verbindet.
Keine Kürzung der Bundesbeiträge für automatisiertes Fahren
Mit den im März 2025 in Kraft getretenen neuen Bestimmungen zum autonomen Fahren steht die Mobilitätsbranche vor einer historischen Gelegenheit, die Zukunft des öV durch den Einsatz automatisierter Fahrzeuge zu gestalten. Die Schritte hin zu autonomem Fahren in Kombination mit weiteren Innovationen sollen zu einem flexibleren und kundenorientierteren öV führen.
Die LITRA spricht sich deshalb gegen die vorgeschlagene Streichung der Förderbeiträge für automatisiertes Fahren aus. Dies liegt insbesondere nicht im Interesse des Innovationsstandorts Schweiz. Projekte über das autonome Fahren sollen hier durchgeführt und gefördert werden, damit die Rahmenbedingungen sowie zukünftigen Mobilitätssysteme selbstbestimmt gestaltet und auf die spezifischen Bedürfnisse und Charakteristika der Schweiz ausgerichtet werden können.
Keine Kürzung der Bundesbeiträge an Regionalflughäfen auf Bundesinteressen
Die Regionalflughäfen der Kategorie II (Bern, Lugano, St. Gallen-Altenrhein, Buochs, Grenchen, Sion, Les Éplatures und Samedan) übernehmen als vom Bund konzessionierte und beaufsichtigte, systemrelevante Infrastrukturen essenzielle Funktionen für die gesamte Schweiz.
Diese Flughäfen tragen nicht nur zur Luftfahrt, sondern auch zur volkswirtschaftlichen, touristischen und sicherheitsrelevanten Stabilität des Landes bei. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur. Die bisherige finanzielle Stützung der Regionalflugplätze soll deshalb weitergeführt werden, auch weil eine Kürzung der Bundesbeiträge nicht zu echten Einsparungen, sondern lediglich zu einer Verschiebung der Kosten führen würde.
Fazit
Die LITRA anerkennt die Bedeutung gesunder Bundesfinanzen. Die öV-Branche kann und will ihren finanziellen Beitrag dazu in erster Linie dadurch leisten, indem sie noch mehr Kundinnen und Kunden in den öV bringt und gleichzeitig laufend effizienter wird.
Effizienzsteigerungspotenziale sollen konsequent genutzt werden, damit die Kosten im öV proportional laufend gesenkt werden können. Insbesondere im Bereich der hoheitlichen Normen und Vorgaben, etwa beim Unterhalt, Betrieb und Ausbau der Bahninfrastruktur, bestehen erhebliche Einsparpotenziale, die es zukünftig zu nutzen gilt. Solche Einsparungen sind wirkungsvoll, nachhaltig und können ohne negative Auswirkungen auf das Angebot des öV realisiert werden.
Gleichzeitig darf unser hochwertiges öV-System nicht mit kurzfristigen Sparmassnahmen langfristig geschwächt werden. Dies ist bei den vom Bundesrat im Rahmen des EP27 vorgeschlagenen Massnahmen teilweise der Fall.
Die beabsichtigten Einsparungen führen in erster Linie zu Angebotsreduktionen, insbesondere in ländlichen Regionen, überproportionalen Kostensteigerungen für die Nutzerinnen und Nutzer sowie zu Verzögerungen bei der Umstellung auf umweltfreundliche Busantriebe. Diese Konsequenzen widersprechen den Zielen eines zukunftsfähigen, nachhaltigen und kundenorientierten öV.
Aus diesen Gründen lehnt die LITRA die geplanten Sparmassnahmen im Bereich des öV im Rahmen des EP27 ab. Gleichzeitig zeigt sich die LITRA offen, gemeinsam mit Bund und Kantonen nach zielführenden und nachhaltigen Kosteneinsparungen zu suchen und diese langfristig umzusetzen. Die LITRA ist bereit, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten, die sowohl die Finanzlage des Bundes als auch die Qualität und Nachhaltigkeit des öV langfristig sichern.