28. 05. 2024

Stellungnahme der LITRA zur Weiterentwicklung LSVA

Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ist ein substanzieller Eckpfeiler der Schweizer Verkehrspolitik. Ihre Weiterentwicklung für die Zeit nach 2030 ist für die primär betroffenen Fahrzeughalter von zentraler Bedeutung, darüber hinaus aber auch für Wirtschaft und Gewerbe sowie für die Verlader und die Akteure im Schienengüterverkehr.

Die LSVA ist ein substanzieller Eckpfeiler der Schweizer Verkehrspolitik. Gemeinsam mit weiteren Partnern nimmt die LITRA Stellung zur Vernehmlassungsvorlage. © Joel Genhart, Pixabay

Bereits im Hinblick auf die Totalrevision des Gütertransportgesetzes durften die LITRA dem Bundesrat mit zwei gemeinsamen Stellungnahmen mit Partnern (Vernehmlassung, Botschaften) sowie bei anlässlich mehrerer Treffen darlegen, dass die unterzeichnenden Verbände geschlossen für Versorgungssicherheit, Leistungsfähigkeit und Robustheit der dafür notwendigen Infrastrukturen, Energieeffizienz und Klimaschutz einstehen. Zur Erreichung dieser Ziele, die für die gesamte Güterverkehrsbranche gleichermassen gelten, ist – unter anderem – die Dekarbonisierung des Strassentransports anzustreben. Konkret braucht es eine Ausgestaltung der LSVA, welche die richtigen betriebswirtschaftlichen Anreize setzt, damit die Zahl von Fahrzeugen mit CO2-armen Antrieben zugunsten von Umwelt und Klima möglichst rasch zunimmt.

Vor diesem Hintergrund begrüssen die unterzeichnenden Verbände die Vernehmlassungsvorlage zur Weiterentwicklung der LSVA, sehen aber erhebliches Verbesserungspotential. Sie bitten den Bundesrat daher, die nachfolgenden Erwägungen bei der Finalisierung der Vorlage angemessen zu berücksichtigen.

Externe Kosten gemäss bisheriger Formulierung

Bei der Ermittlung des Kostendeckungsgrads des Schwerverkehrs müssen gemäss geltendem Gesetz (SVAG, Artikel 7, Absatz 3) «Kosten und Nutzen» beachtet werden. Die Herleitung dieser Grundlagen durch das Bundesamt für Raumentwicklung ARE hat sich in der Vergangenheit als äusserst komplex und umfangreich erwiesen, so dass sie selbst für interessierte Kreise nur schwer nachvollziehbar sind. Beispielsweise geht das ARE auch davon aus, dass die externen Kosten des Schwerverkehrs auch in Zukunft ansteigen – auch wenn infolge Dekarbonisierung mit einer deutlichen Abnahme der CO2-Emissionen zu rechnen ist.

Die unterzeichnenden Verbände sprechen uns dafür aus, dass die bisherige Methodik beibehalten wird und nicht durch eine Neudefinition, deren Auswirkungen überdies unklar und nicht nachvollziehbar sind, zusätzliche Komplexität erzeugt wird. Ausserdem ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Grundsatz, dass neben den externen Kosten auch der Nutzen des Strassentransports in die Berechnungen einfliessen muss, gestrichen werden soll. Die unterzeichnenden Verbände beantragen, die bisherige Formulierung beizubehalten.

Verankerung der Tarifobergrenzen im Gesetz

Die Festlegung von höchstzulässigen Tarifen auf Gesetzesstufe ist gemäss Vorlage nicht mehr vorgesehen. Stattdessen soll lediglich auf völkerrechtliche Vereinbarungen verwiesen werden. Die LSVA-Tarife wären damit vollständig von Vorgaben im Landverkehrsabkommen (LVA) und eventuellen Nachfolgeabkommen abhängig. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass Verwaltung und die für das LVA zuständigen Gremien (Gemischter Ausschuss) massgeblich Einfluss auf die Abgabesätze haben.

Heute entscheidet der Gesetzgeber, inwiefern die im LVA festgelegten Obergrenzen ausgereizt werden. Ein Korrektiv, das sich bewährt hat. Die unterzeichnenden Verbände sprechen sich daher gegen Neuregelung aus. Zur Sicherheit, dass der Schweizer Gesetzgeber auch künftig nach politischen Erwägungen entscheiden kann, braucht es weiterhin Maximal-, beziehungsweise Durchschnittswerte (gemäss den heutigen Formulierungen) im Schwerverkehrsabgabegesetz (SVAG).

Planungssicherheit auf Gesetzesstufe

Das Kernanliegen des Strassentransportgewerbe bei jeder LSVA-Reform ist eine gesicherte Folgenabschätzung. Zwecks verlässlicher Kostenkalkulation bei Investitionsentscheiden und Berechnung der Transportpreise sind Fahrzeughalter auf eine möglichst frühzeitige Bekanntgabe von Anpassungen der Tarife und Zuordnung von Emissionsklassen auf die Tarifkategorien angewiesen. Ein Planungshorizont von mindestens sieben Jahren ist unerlässlich.

Erfreulicherweise ist der Bundesrat bereit, den Bedürfnissen der Branche zu entsprechen. Das vorgeschlagene Vorgehen, neu eine «rollende Planung» auf sieben Jahre vorzunehmen, das heisst jedes Jahr mitzuteilen, ob und welche Anpassungen bei der Definition der Abgabekategorien im siebten Jahr der Zukunft (t+7) vorgesehen sind, ist von der Stossrichtung her sehr positiv. Die unterzeichnenden Verbände begrüssen diesen Ansatz ausserordentlich.

Ein Manko ist allerdings, dass die Neuregelung lediglich auf Verordnungsstufe vorgesehen ist. Der Bundesrat wäre damit, nach Verabschiedung des revidierten SVAG durch das Parlament, frei, ob die Planungssicherheit wirklich realisiert werden soll oder nicht. Das Grundprinzip der rollenden Planung muss auf Gesetzesstufe festgeschrieben werden, nicht nur in der Verordnung. Nur so kann mehr Planungs- und Investitionssicherheit auch garantiert werden.

Umsetzungsgarantie für Flankierende Massnahmen

Im Grundsatz sind Rabattsystem und Investitionsbeiträge gut konzipiert. Es macht Sinn, auch nach dem Ende der LSVA-Totalbefreiung für E-LKW, noch Anreize für Flottenmodernisierungen und Dekarbonisierung zu setzen. Es ist ausserdem schlüssig, diese Rabatte vom allgemeinen Verbreitungsgrad von E-LKW abhängig zu machen. Damit lässt sich vermeiden, dass weiterhin Rabatte gewährt werden, wenn das Ziel der Dekarbonisierung bereits erreicht ist. Die Investitionsbeiträge erlauben es auch kleineren Unternehmen, LKW mit alternativen An- trieben anzuschaffen. Diese sind zurzeit noch bedeutend teurer als Diesellastwagen.

Problematisch ist hingegen, die Umsetzung mittels kann-Formulierung im geplanten neuen Bundesgesetz vorgesehen ist. Der Bundesrat würde damit nur die Kompetenz zur Schaffung eines Rabattsystems erhalten; eine Verpflichtung ist damit nicht verbunden. Zwecks Planungs- und Investitionssicherheit sind die Fahrzeughalter jedoch schon heute auf absolute Garantien angewiesen. Auch ein konkreter Schwellenwert für Marktdurchdringung, bis zu der Rabatte gewährt werden, ist nicht gesetzlich festgeschrieben.

Auch bei den Investitionsbeiträgen fehlt es – trotz ihrer Wichtigkeit für eine Mehrheit der Branche – an der nötigen Umsetzungsgarantie. Die Investitionsbeiträge sind im Entwurf lediglich als eine «Möglichkeit» aufgeführt. Der Bundesrat will erst nach Vorliegen der Resultate der Vernehmlassung entscheiden, ob er dem Parlament wirklich eine Anschubfinanzierung vorschlägt. Selbst bei einer Umsetzung, wäre wiederum nur eine kann-Formulierung vorgesehen.

Die unterzeichnenden Verbände vertreten die Position, dass das Rabattsystem und Investitionsbeiträge garantiert umzusetzen sind – nicht nur fakultativ. Sie müssen daher im Gesetz statt lediglich auf Verordnungsstufe verankert werden. Auch ist ein konkreter Schwellenwert festzulegen, ab wann die Modernisierung der Fuhrparks als soweit fortgeschritten gilt, dass Rabattsystem und Investitionsbeiträge eingestellt werden.

Investitionsbeiträge gemäss Modell öV

Die vorgesehene Regelung, welche die Höhe des Investitionsbeitrags mit den Rabatten bei einer «durchschnittlichen jährlichen Transportleistung» in Zusammenhang bringt, führt zu einem Dilemma. Die Problematik liegt darin, dass die durchschnittliche Jahresleistung im nationalen Überlandverkehr (Komplettladungen, Stückgut) vergleichsweise hoch ist, im Nahverkehr (beispielsweise Baustellen-, Abfall- oder Holztransporte) aber eher gering. Berechnungen der ASTAG zeigen, dass die vorgeschlagene Methodik in keinem Fall aufgeht. Entweder ist die durchschnittliche jährliche Transportleistung so hoch, dass der Wert für Betriebe im Nahverkehr nicht erreichbar ist, oder aber so tief, dass die Investitionsbeiträge zu gering ausfallen und keinerlei Wirkung hätten. Die ASTAG lehnt Investitionsbeiträge in Abhängigkeit von Rabatten daher ab. Sie würden zu einer massiven Ungleichbehandlung der einzelnen Transportsparten führen und sind in der Praxis völlig unwirksam.

Die Schaffung einer Anschubfinanzierung muss folglich losgelöst von den Rabatten erfolgen. Für den Erwerb von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb ist, für eine Dauer von fünf Jahren, ein Ausgleich von 80 Prozent der in diesem Jahr im Mittel vorhandenen Preisdifferenz zu einem Diesel-LKW vorzunehmen.

Solche Förderbeiträge wären nicht neu. Das Parlament hat mit der Revision des CO2-Gesetzes für die Zeit nach 2024 für genau diese Lösung zugunsten von Betrieben der konzessionierten Personenbeförderung ausgesprochen. Gemäss Artikel 41a CO2-Gesetz werden hier jährlich (bis 2030) 47 Millionen Franken für die Beschaffung von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb bereitgestellt; der Maximalbetrag beträgt zwischen 75 und 30 Prozent der zusätzlichen Kosten gegenüber Fahrzeugen mit fossilem Antrieb.


Die unterzeichnenden Verbände

Die Stellungnahme wurde von folgenden Verbänden unterzeichnet: Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr LITRA, Nutzfahrzeugverband ASTAG, IG Kombinierter Verkehr, Verband der verladenden Wirtschaft VAP, Verband öffentlicher Verkehr VöV, Kommission Güterverkehr VöV.