29. 06. 2018

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29. 06. 2018

Tmoney vs. SwissPass: Ein Ticketing-Vergleich mit Südkorea

Ticket und Bezahlgerät in einem – Tmoney das «Verkehrsgeld» in Korea ist zu einem Lifestyle geworden. Das Schweizer Pendant verwendet den technisch gleichen Chip, aber ein völlig anderes Angebot. Ein System-Vergleich zwischen zwei Kontinenten im Blog von Roman Zech.

Tmoney: In einer halben Sekunde ein Ticket gelöst. (Foto: Korea Smart Card Cooperation, KSSC)

Freudig, aber etwas taktlos piepst es am Eingang 9 der Station «Hong’ik University» zur Seoul Metro. An einem der grössten Umsteigepunkte der Metropole warten vor allem junge Koreaner geduldig in einer kurzen Schlage, bevor sie ihre Smartphones, Schlüsselanhänger oder Kreditkarten über das Lesegerät ziehen können. Auf den Lesern steht das markante T (siehe Bild), dass an einen Metroplan erinnert und zum Markenzeichen für einfachen Zugang zu Verkehrsmitteln und dem Bezahlen von Alltäglichem wurde.

Tmoney – Kombination aus Ticket und Bezahlgerät

Tmoney heisst das System aus Korea. Das Prinzip ist einfach: Mit einem RFID-Chip ist ein Konto im Hintergrund verbunden. Dort drauf kann entweder am Automaten eingezahlt werden oder es wird nachträglich direkt der Kreditkarte oder dem Bankkonto belastet. In allen Verkehrsmitteln wird dann der entsprechende Betrag mit Lesegeräten abgebucht. Ein «automated fare collection system», kurz AFC-System. Oder in anderen Worten eine Kombination aus Ticket und Bezahlgerät.

Zwischen 2004 und 2008 wurde fast das ganze Land mit dem System ausgerüstet – mit grossem Erfolg. Etwa 50 Millionen Male wird täglich in Metropolitan Seoul damit bezahlt – im Vergleich zu den etwa 22 Millionen Einwohnern. Heute stehen die Automaten für Einzelbilette etwas verlassen da, einzig unwissende Touristen nutzen sie noch.

«Verkehrsgeld» wird zum Lifestyle und anerkannten Zahlungsmittel

Aus dem Chip für den öV ist unterdessen ein Lifestyle geworden. An der Bar, im Taxi und im Supermarkt – fast überall kann damit bezahlt werden. «Ich nutzte fast nur noch diese Karte. Wegen der starken Inflation war Bargeld sehr mühsam und schwer zu tragen», sagt der 29-jährige Koreaner Junmo Cheon, der heute in der Schweiz lebt. 80 Prozent aller Transaktionen im Land werden heutzutage per Karte bezahlt.

Auch einfach am Schlüsselanhänger: Der Vielfalt der Tmoney-Chips sind keine Grenzen gesetzt. (Foto: KSSC)

In vielen Städten haben sich ähnliche Systeme etabliert – Tmoney ist von der Reichweite und der Nutzerfreundlichkeit her eines der besten Systeme. Und das, obwohl es keine Abos auf Zeit gibt. Schüler und Senioren erhalten lediglich einen Rabatt auf die Einzelfahrt. Wer 50 Fahrten im Voraus kauft, erhält 10% Rabatt. Nach 30 Tagen verfallen die restlichen Fahrten.

Einfacher Zugang für Vielfahrer in der Schweiz

In der Schweiz wird seit 2015 die technisch gleiche Karte wie in Korea mit rotem Anstrich als SwissPass genutzt. Nach und nach wurden alle General- (GA) und Halbtaxabonnemente auf den SwissPass umgestellt. Für die 3 Millionen Nutzer dieser beiden Angebote bietet die rote Karte darüber hinaus die Verknüpfung mit anderen Angeboten im Bereich der Mobilität – allerdings ohne Bezahlfunktion.

Gelegenheitsnutzer bleiben beim Kauf an der zusätzlichen Aufgabe des Ticketlösens hängen. Wer das Ticket online oder am Automaten kauft, benötigt beim Umstieg vom nationalem Verkehr zu regionalen Tarifverbünden sogar noch ein zusätzliches Billet.

In Korea ist dies beim Umstieg zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln auch nötig. Allerdings mit einem zusätzlichen Tap auf ein Lesegerät rasch erledigt und sogar mit einem «Umsteigerabatt» verbunden. Die Synergie zwischen Bezahlen und Ticket kann so intelligent genutzt werden.

Digitales Tap-in-tap-out-System ohne Drehkreuze

In der Schweiz ist das bereits auch der Fall: Mit Ticket-Apps wie Fairtiq und Lezzgo lassen sich verbundübergreifend Tickets kaufen. Am Anfang und Ende der Reise wird dann über das Smartphone gewischt – analog dem Tap auf den Tmoney-Leser in Korea. Es entsteht ein digitales Tap-in-tap-out-System ohne stationäre Zugangsschranken und Geräte am Bahnhof und in Zügen. Das Smartphone wird so zum persönlichen Ticket.

Der grosse Vorteil davon liegt auf der Hand: Der Zugang bleibt offen und genutzt wird nur die vorhandene und bereits genutzte Infrastruktur an Handyantennen, GPS und persönlichen Geräten. Das spart zusätzliche Infrastruktur – eines Tages vielleicht sogar Billetautomaten.

Bis dahin ist allerdings noch ein weiter Weg: Nur rund die Hälfte der Bevölkerung nutzt zurzeit mobiles Internet unterwegs und die Routenaufzeichnung muss aufgrund der zahlreichen Umsteigeoptionen einer Strecke und vieler Tunnels häufig manuell angepasst werden.

Die Koreaner sind bereits digitaler ausgerüstet. Rund 82 Prozent nutzen mobiles Internet. Doch piepst es in Korea weiter an U-Bahn-Eingängen und den Bustüren. Die schiere Masse von 7.5 Millionen täglichen Nutzern der 21 Metro-Linien in Seoul verlangt (noch) nach einem System mit fester Infrastruktur an den Eingängen.

Hauptverkehrszeit in der Seoul Metro (Foto: zVg Roman Zech)

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