17. 12. 2025

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17. 12. 2025

Sessionsveranstaltung: Was die geplante Abgabe auf Elektrofahrzeuge für den öV und die Strasse bedeutet

Elektrofahrzeuge sollen künftig ebenfalls einen Beitrag an die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur leisten. Doch wie soll diese Abgabe erhoben werden – pro gefahrenen Kilometer oder über den Ladestrom? Im Rahmen der Sessionsveranstaltung der LITRA im Hotel Bellevue Palace in Bern diskutierten Mitte Dezember ASTRA-Direktor Jürg Röthlisberger, TCS-Präsident Peter Goetschi und Stefan Regli, Leiter Mobilitäts-Services und Mitglied der Konzernleitung bei der Post, über die künftige Finanzierung der Strasseninfrastruktur und die Ausgestaltung einer Abgabe auf Elektrofahrzeuge. Die fachliche Grundlage für die Diskussion legte zuvor ein Inputreferat von Vivian Welten, Mitglied der Geschäftsleitung des ASTRA. Rund 100 Gäste aus der öV-Branche und der Politik nahmen an der Veranstaltung teil und brachten sich in die Diskussion zur Ersatzabgabe ein.

Wie soll die Abgabe auf Elektrofahrzeuge aussehen? © LITRA

Oft wird der öffentliche Verkehr (öV) zuerst mit der Bahn assoziiert – ein naheliegender Gedanke, schliesslich bleibt die Schweiz auch 2024 Europameisterin im Bahnfahren und rund 80 Prozent der Personenkilometer entfallen auf den Bahnverkehr. Ein anderes Bild zeigt sich jedoch bei den Angebotskilometern im regionalen und lokalen öV: Diese werden mehrheitlich auf der Strasse erbracht, wie LITRA-Präsident Martin Candinas in seiner Ansprache betonte. Insgesamt ist es für den öffentlichen Verkehr sehr erfreulich, dass er seinen Anteil am Gesamtverkehr im letzten Jahr weiter steigern konnte und mit 22,9 Prozent für den öV einen neuen Rekordwert erreicht hat.

Eine nachhaltige Finanzierung des Unterhalts bei der Bahn sowie bei der Strasse ist zwingend notwendig, um den kommenden Generationen keine Infrastrukturschulden aufzutragen, betont Martin Candinas, Präsident der LITRA. © LITRA

Langfristige Finanzierung der Strasseninfrastruktur wird zur Herausforderung

Auf Bundesebene wird die Strasseninfrastruktur nach dem Nutzerprinzip finanziert, wobei die Mineralölsteuer die wichtigste Einnahmequelle bildet. Die Steuer wird heute direkt beim Tanken erhoben. Konzessionierte öV-Unternehmen wird die Mineralölsteuer heute und noch bis 2030 zurückrückerstattet. Die Einnahmen der Mineralölsteuern fliessen in die allgemeine Bundeskasse, in die Spezialfinanzierung Strassenverkehr sowie in den Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds (NAF), der insbesondere für den regionalen und lokalen Personenverkehr eine zentrale Rolle spielt.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen gehen diese Einnahmen nun laufend zurück, sodass künftig Finanzierungslücken entstehen werden. «Die langfristig gesicherte Finanzierung der Strasseninfrastruktur ist für alle Verkehrsträger von Bedeutung – für den motorisierten Individualverkehr, den öffentlichen Verkehr sowie den Langsamverkehr», betonte LITRA-Präsident Martin Candinas.

«Beide Varianten verfolgen das Ziel der langfristigen Finanzierung der Strasseninfrastruktur; technologieoffen, verursachergerecht und zukunftsfähig.» sagt Vivian Welten, Mitglied der Geschäftsleitung beim ASTRA zu den zwei Varianten, die in die Vernehmlassung geschickt wurden. © LITRA

Auch für Elektrofahrzeuge soll das Nutzerprinzip gelten

Die zunehmende Verbreitung von Elektro- und Hybridfahrzeugen ist eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen der Klimaziele des Bundes im Verkehrsbereich. Auch die öV-Branche treibt die Dekarbonisierung voran und elektrifiziert Schritt für Schritt ihre Busflotten; für das Jahr 2026 stellt die Bundesversammlung 30 Millionen Franken für Fahrzeuge mit alternativen Antriebssystemen bereit.

Dass nun auch Elektrofahrzeuge künftig eine Abgabe leisten sollen, hat in den Medien teilweise bereits Wellen geschlagen. Dr. Vivian Welten betonte jedoch, dass die Ersatzabgabe die wegfallenden Mittel aus der Mineralölsteuer kompensieren und damit die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur langfristig sichern soll. Die Steuer auf Elektrofahrzeuge soll ab 2030 erhoben werden und in der Höhe gleichwertig sein wie die Abgabe bei der Mineralölsteuer.

Zudem erläuterte sie die beiden Vorschläge, die das ASTRA in die Vernehmlassung geschickt hat: Eine Abgabe pro gefahrenen Kilometer oder eine Abgabe auf den bezogenen Ladestrom, analog zur heutigen Mineralölsteuer. Bei der ersten Variante können die Fahrzeughalter- und halterinnen wählen, ob sie regelmässig den Kilometerstand ihres Fahrzeugs angeben wollen, oder ein Erfassungsgerät an ihrem Auto befestigen, welches die Informationen direkt übermittelt. Für die Variante «Ladestrom» wird die bezogene Strommenge mit Hilfe eines Zählers an der Ladeeinrichtung gemessen und besteuert. Da viele Ladestationen noch über keine Zähler verfügen und diese zuerst installiert werden müssten, ist bei dieser Variante eine pauschale Steuer bis 2034 als Übergangslösung vorgesehen.

Auch das Publikum konnte spontan Stellung zu den zwei Varianten beziehen. Welche Lösung sich am Schluss durchsetzt, bleibt offen. Sicher ist nur: Die Debatte wird spannend.

Das ASTRA schlägt zwei Varianten vor, wie die Nutzung von Elektrofahrzeugen zukünftig besteuert werden soll. © ASTRA

Die Ausgestaltung der Abgabe im Fokus der Podiumsdiskussion

Im Anschluss an das Referat von Vivian Welten diskutierten ASTRA-Direktor Jürg Röthlisberger, TCS-Präsident Peter Goetschi und Stefan Regli, Leiter Mobilitäts-Services und Mitglied der Konzernleitung bei der Post, unter der Leitung von LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer über die Ausgestaltung der Ersatzabgabe. Dabei standen nicht nur die beiden Modelle, sondern auch Fragen der Fairness, der politischen Umsetzbarkeit und der Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr im Vordergrund.

Die Gesprächsrunde zeigte zudem, wie stark die Dekarbonisierung des Strassenverkehrs die verkehrspolitischen Rahmenbedingungen verändert: Bereits ab 2030 könnte ein wesentlicher Anteil der Personenwagen und der Fahrzeuge im Güterverkehr elektrisch fahren. Auch PostAuto treibt den Umstieg auf alternative Antriebe voran und plant, seine Flotte bis 2040 vollständig zu dekarbonisieren. Stefan Regli wies schliesslich darauf hin, dass aus Sicht des öV eine Abgabebefreiung – analog zur heutigen Mineralölsteuer – sehr wichtig ist, um den bestellten Verkehr nicht zusätzlich zu belasten.

Wie könnte die Abgabe auf Elektrofahrzeuge konkret aussehen? – Podiumsdiskussion mit Jürg Röthlisberger (ASTRA), Peter Goetschi (TCS) und Stefan Regli (Post) © LITRA

ÖV für die nächsten Jahrzehnte richtig aufgleisen

Die Diskussion um die Abgabe auf Elektrofahrzeuge zeigt schliesslich, wie eng der steigende Unterhalt und der zukünftige Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen mit der Frage der Finanzierung von Strasse und Schiene verknüpft ist. Mit dem Projekt «Verkehr ’45» legt der Bundesrat bald fest, welche Ausbauten in den kommenden Jahren Priorität erhalten sollen und wie diese finanziert werden können. Gleichzeitig bleibt auch die Finanzierung der Angebote im regionalen Personenverkehr zentral. Die in dieser Session beschlossene moderate Erhöhung des Verpflichtungskredits für die Jahre 2026-2028 wird dies gewährleisten, da auch die öV-Unternehmen gewillt sind, ihren Beitrag beim Sparen zu leisten. Auch beim Bahninfrastrukturfonds sind Lösungen nötig, um absehbare Finanzierungslücken zu schliessen.

Mit einer verlässlichen Finanzierung kann der öV auch in Zukunft ein modernes und leistungsfähiges Mobilitätssystem anbieten.


© LITRA

Öffentlicher Verkehr – das Schweizer Versprechen, das wir nicht verspielen dürfen: Gastkommentar der LITRA, erschienen in der NZZ vom 8. Oktober 2025.