18. 12. 2024
18. 12. 2024
Sessionsveranstaltung: Europameister trifft Europameister – Was Frankeich und die Schweiz voneinander lernen können
Frankreich und die Schweiz teilen die Leidenschaft für die Eisenbahn. Entsprechend vielfältig gestalten sich die Beziehungen der beiden Länder – egal ob im Personen- oder im Güterverkehr. Im Rahmen der Winter-Sessionsveranstaltung der LITRA richtete sich Jean-Pierre Farandou, Vorsitzender der französischen Staatsbahnen (Société nationale des chemins de fer français, SNCF), an die rund 110 geladenen Gäste im Bellevue Palace in Bern und tauschte sich im Rahmen einer spannenden Podiumsdiskussion mit seinem SBB-Kollegen, Vincent Ducrot, über die Zukunft des europäischen Schienenverkehrs aus.
Mit über 102 Millionen Personenkilometern liegt Frankreich an der Spitze der europäischen Bahnfahrer-Statistik. In keinem anderen Land legen die Menschen so viele Kilometer mit der Bahn zurück wie bei unserem westlichen Nachbarn. Insbesondere das Hochgeschwindigkeitsnetz Frankreichs ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und geniesst auch in der Schweiz hohe Beliebtheit – beispielsweise für einen kurzen Abstecher nach Paris.
Den umgekehrten Weg legte kurz vor den Festtagen Jean-Pierre Farandou zurück. Der Vorsitzende der SNCF war Ehrengast bei der letzten Sessionsveranstaltung der LITRA im Jahr 2024.
Der Vorsitzende des zweitgrössten Bahnunternehmens als Ehrengast in Bern
Es sei ihm eine grosse Ehre, den Vorsitzenden des zweitgrössten Eisenbahnunternehmens Europas in Bern begrüssen zu dürfen, betonte LITRA-Präsident Martin Candinas zu Beginn der Veranstaltung. «Es ist kaum möglich, eine geeignetere und kompetentere Persönlichkeit zu finden, die uns die europäische Perspektive auf die Zukunft des Schienenverkehrs besser vermitteln kann als Jean-Pierre Farandou.»
Ein Europameister zu Gast in der Schweiz – wahrlich eine grosse Ehre auch wenn der französische Europameister seinen Bahn-Titel mit seinem deutlich kleineren Nachbarland teilen muss. Zwar nimmt Frankreich in der europäischen Bahnstatistik mit 102’647 Personenkilometern klar die Spitzenposition ein (Schweiz: 19’043 Personenkilometer); werden die zurückgelegten Personenkilometer jedoch proportional zur Bevölkerungsgrösse betrachtet, steht die Schweiz wiederum an der Spitze.
«Im Durchschnitt legten die Schweizerinnen und Schweizer 2’466 Personenkilometer (Frankreich: 1’510 Personenkilometer) auf der Schiene zurück und benutzten im Schnitt 68-Mal pro Jahr die Bahn. Nirgendwo sonst in Europa nutzen Einwohnerinnen und Einwohner so oft die Bahn wie in der Schweiz», meint Candinas sehr erfreut. (Mehr zur Mobilität in Europa; im LITRA-Datenportal)
Fairere Bedingungen und eine bessere Vernetzung über die Landesgrenzen hinweg
Die Schweiz und Frankreich pflegen eine hervorragende und enge Beziehung auf dem Gebiet des Schienenverkehrs, nicht zuletzt auch dank der guten und engen Zusammenarbeit zwischen SBB und SNCF. Und dies bei Weitem nicht nur im europäischen Personenverkehr, sondern auch als wichtige Akteurinnen in der internationalen Schienenlogistik. So waren dann neben der europäischen Personenmobilität auch der Schienengüterverkehr und die nachhaltige Finanzierung der Bahninfrastruktur in Europa zwei Kernthemen der letzten LITRA-Sessionsveranstaltung des Jahres.
Jean-Pierre Farandou betonte in seiner Ansprache, wie wichtig eine nachhaltige Mobilitäts- und Finanzierungspolitik sei, wenn wir eine Verlagerung von der Schiene zurück auf die Strasse verhindern wollen. «Europa hat sich zwei ambitionierte Ziele gesetzt: die Verdoppelung des Schienengüterverkehrs und die Verdreifachung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs bis 2050. Allerdings fehlen die Mittel für diese ehrgeizigen Ziele. Die Infrastrukturen veralten, und die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern werden immer grösser.»
Für den Vorsitzenden der SNCF ist eines klar: «Die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern müssen fairer gestaltet werden. Die umweltschädlicheren Verkehrsträger müssen für ihre externen Kosten aufkommen, die heute von der Gesellschaft getragen werden. Zweitens müssen die von der EU und ihren Mitgliedstaaten für den Schienenverkehr bereitgestellten Finanzmittel den Herausforderungen des ökologischen Wandels entsprechen, damit die Verlagerung auf andere Verkehrsträger im europäischen Schienenverkehr verhindert werden kann, und damit dieser mit einer besseren Vernetzung über die Landesgrenzen hinweg noch effizienter wird.»
Politische Versprechen halten und die öV-Finanzierung nachhaltig sicherstellen
Die nachhaltige Finanzierung des öffentlichen Verkehrs war auch in der Ansprache von Martin Candinas ein zentrales Element. Der LITRA-Präsident und Nationalrat betonte, dass es ungemein wichtig sei, dass man die positive Entwicklung im öffentlichen Verkehr nicht mit kurzfristigen politischen Entscheidungen abwürgt, die sich aus finanziellen Zwängen ergeben. «Die öV-Branche will ihren Beitrag zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik leisten und ihre Effizienz laufend verbessern. Entscheidend bleibt aber, dass die Finanzierung der bestellten Leistungen und der Unterhalt der Infrastruktur durch eine zuverlässige Politik sichergestellt werden.»
Aus diesem Grund setzt sich die LITRA auch für eine Erhöhung des Kredits für den regionalen Personenverkehr (RPV), für die im CO2-Gesetz verabschiedete Elektrifizierung der Busflotten sowie für die Unterstützung des internationalen Personenverkehrs ein. «Und, wir müssen auch für die Finanzierung des Bahninfrastrukturfonds (BIF) Sorge tragen, der immer stärker unter Druck gerät», betonte Martin Candinas.
Im Anschluss an die beiden Referate stellte sich Jean-Pierre Farandou gemeinsam mit SBB-CEO, Vincent Ducrot, im Rahmen einer halbstündigen Podiumsdiskussion den Fragen von LITRA-Geschäftsführer, Michael Bützer, und den zahlreichen interessierten Gästen im Publikum. Dabei diskutierten die beiden Vorsitzenden der Bahnunternehmen in Frankreich und der Schweiz über die spezielle Beziehung der beiden Länder, über internationale Zugverbindungen, die Liberalisierung des Eisenbahnmarktes in Europa und die Zukunft des europäischen Güterverkehrs. Und natürlich auch über die Frage, wer denn nun der wahre Bahn-Europameister sei…
Gastbeitrag: Der Schienenverkehr – ein unverzichtbares Plus Europas für die Umsetzung einer echten nachhaltigen Verkehrspolitik
Das Reisen mit der Bahn wird in Europa immer beliebter. Gleichzeitig nimmt der Schienenverkehr eine zentrale Rolle in der Erreichung der Klimaziele und der Dekarbonisierung des Verkehrs ein. Ein nachhaltiges Europa ist nur mit der Förderung des Schienenverkehrs möglich. Wie die Zusammenarbeit im europäischen Schienenpersonen- und im Schienengüterverkehr aussehen kann, zeigt der Gastbeitrag von Jean-Pierre Farandou, Präsident und Generaldirektor der SNCF.