19. 06. 2025
19. 06. 2025
Sessionsveranstaltung: Wie weiter im Schienengüterverkehr?
Weniger Schwerverkehr in den Alpen. Mehr Güter auf der Schiene. Aber wie? Und wer bezahlt’s? Im Rahmen der Sessionsveranstaltung der LITRA im Hotel Bellevue in Bern diskutierten Ende Juni BAV-Direktorin, Christa Hostettler, sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der öV-Branche und der Politik über die Umsetzung des revidierten Gütertransportgesetztes. Zudem gingen die rund 100 Gäste der Frage nach wie der Regionale Personenverkehr finanziert werden soll und welche Folgen das Entlastungspaket 27 des Bundes auf das Rückgrat des Schweizer öV-Systems hätte.

Güterverkehr im Wandel: Michael Bützer (LITRA), Alexander Muhm (SBB-Cargo), Christa Hostettler (BAV), Andreas Haas (Swissrail), Simon Wey (VAP) und Martin Candinas (LITRA). © LITRA
So erfreulich die Zahlen des Schienenpersonenverkehrs im aktuellen Quartalsreporting Bahn, so besorgniserregend die Daten zum Schienengüterverkehr. Zahlreiche Baustellen im In- und Ausland bremsen den alpenquerenden Güterverkehr auf der Schiene spürbar. «Im vergangenen Jahr überquerten 960’000 Lastwagen die Alpen – das sind 44’000 mehr als im Vorjahr. Der Bahnanteil sank damit erstmals von 72 auf 70,3 Prozent», zeigte sich Martin Candinas zu Beginn der Sommer-Sessionsveranstaltung der LITRA in Bern besorgt.
Hinzukommt das vorzeitige Aus der Rollenden Landstrasse (RoLa) Ende 2025 – drei Jahre früher als geplant. «Und dies, obwohl die Nachfrage für dieses Angebot weiterhin vorhanden wäre und der Bund finanzielle Unterstützung bereitgestellt hat», so Martin Candinas. «Beides sind bedeutende Warnzeichen, die deutlich machen, dass unser Gütertransportsystem unter grossem Druck steht.»

«Die Herausforderungen im Güterverkehr sind gross. Umso wichtiger ist es, dass wir als öV-Branche gemeinsam Lösungen finden und alle Beteiligten Verantwortung übernehmen.» LITRA-Präsident, Martin Candinas, über die Modernisierung des nationalen und internationalen Schienengüterverkehrs. © LITRA
Ausbau des linksrheinischer NEAT-Zugang für mehr Systemresilienz
Die Entwicklung im Schienengüterverkehr ist alarmierend, untergräbt sie nicht nur das Verlagerungsziel, sondern stellt auch zentrale verkehrs- und klimapolitische Grundsätze infrage. «Umso wichtiger ist es, dass wir gemeinsam auf die Umsetzung des revidierten Gütertransportgesetzes blicken. Denn damit soll die Modernisierung und Stärkung des Güterverkehrs in der Fläche gelingen», betonte Martin Candinas im Rahmen seiner Präsidialansprache.
Zugleich zeigte der LITRA-Präsident Perspektiven auf: Mit zwei gleichlautenden Motionen von Nationalrat Martin Candinas und Ständeratskollege Thierry Burkart soll der linksrheinische Zugang zur NEAT rasch ausgebaut werden. Freiwerdende RoLa-Mittel sollen die Profilanpassung der Vogesen-Tunnel finanzieren – «ein pragmatischer Vorschlag, um die Ausweichkapazitäten im Transitverkehr zu stärken, die Systemresilienz im alpenquerenden Güterverkehr zu erhöhen und letztlich die Verlagerungsziele besser zu erreichen», so Martin Candinas.

«Parlament und Bundesrat haben neue Spielregeln geschaffen. Nun ist es an der Branche, ein gutes Spiel zu spielen.» BAV-Direktorin, Christa Hostettler, über die Perspektiven und Umsetzungsschritte im Güterverkehr aus Sicht des Bundes. © LITRA
Wettbewerbsfähigkeit und Klimaziele unter einen Hut bringen
Mit der Verabschiedung des revidierten Gütertransportgesetzes in der Frühjahrssession hat das Parlament bereits einen entscheidenden Schritt zur Stärkung und Modernisierung des Gütertransports durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen gemacht. Nachdem die LITRA dieses Geschäft auf politischer Ebene intensiv begleitet hat, geht es nun um die konkrete Umsetzung. Welche Chancen bietet es für die Branche? Wie verändern sich die Rahmenbedingungen für Bahn- und Schifffahrtsunternehmen? Und welche Herausforderungen gilt es in der Industrie zu meistern?
Hauptreferentin Christa Hostettler, Direktorin des Bundesamts für Verkehr, skizzierte im Rahmen der LITRA-Sessionsveranstaltung die Prioritäten seitens Verwaltung: Digitalisierung des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV), Pilotkorridore für die Digitale Automatische Kupplung (DAK) und eine engere Koordination mit den Kantonen. Damit sollen die Wettbewerbsfähigkeit und die Erreichung der Klimaziele gleichermassen sichergestellt werden.

Wie geht die Branche die Modernisierung des Güterverkehrs konkret an? – Podiumsdiskussion mit Alexander Muhm (SBB-Cargo), Michael Bützer (LITRA), Andreas Haas (Swissrail) und Simon Wey (VAP). © LITRA
Anschliessend loteten Alexander Muhm (SBB-Cargo), Andreas Haas (Swissrail) und Simon Wey (VAP) im Rahmen einer durch LITRA-Geschäftsführer, Michael Bützer moderierten Podiumsdiskussion aus, wie die Branche Marktanforderungen und technologische Sprünge unter einen Hut bringt.
öV-Nutzende tragen 54 Prozent der Kosten im Regionalen Personenverkehr
Neben dem Güterverkehr steht vor allem die Finanzierung des Regionalen Personenverkehrs (RPV) im politischen Fokus. Das Entlastungspaket 27 des Bundesrats kürze den Verpflichtungskredit um weitere 130 Millionen Franken und unterschreite damit den realen Bedarf deutlich. «Der RPV ist kein reines Subventionssystem – die Fahrgäste tragen bereits heute mehr als die Hälfte der Kosten», betonte Martin Candinas und verwies auf eine durchschnittliche Nutzerfinanzierung von 54 Prozent. Bund und Kantone steuern je nur ein Fünftel bei.

Aufteilung der Kosten im Regionalen Personenverkehr (Plandaten ohne Art. 28 Abs. 4 PBG): Bereits heute tragen Nutzerinnen und Nutzer des öV über 50 Prozent der Kosten. © LITRA
Der Regionale Personenverkehr sei zudem weit mehr als ein blosser Kostenblock in den öffentlichen Budgets. «Der RPV ist ein zentraler Pfeiler des öV-Systems, dank dem Städte mit ländlichen Regionen verbunden, Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen geschaffen und gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen gesichert werden. Der RPV trägt wesentlich zur Standortattraktivität bei und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt», betonte Martin Candinas.
Das Rückgrat des täglichen Pendlerverkehrs darf nicht ausgedünnt werden
Der LITRA-Präsident gibt zudem zu bedenken, dass eine Kürzung der Bundesmittel je nach Kanton sehr unterschiedliche Auswirkungen haben würden. Denn der Bundesanteil an den Abgeltungen variiert erheblich. «In Kantonen mit einem tiefen Bundesanteil wären Kürzungen zwar spürbar, aber tendenziell besser abzufedern. In Kantonen hingegen, in denen der Bund einen hohen Anteil der ungedeckten Kosten trägt, könnten solche Einschnitte weder durch Tarifanpassungen noch durch betriebliche Optimierungen rasch kompensiert werden», so Martin Candinas.

Aufteilung der Kosten im RPV nach Kanton: Ob in Genf, Zürich oder im Jura, die kantonalen Finanzierungsmodelle sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. © LITRA
Die Konsequenz wären laut dem LITRA-Präsidenten markante Einschnitte im RPV-Angebot. Sei es durch die Reduktion von Fahrplänen oder das Zurückstellen von Elektrifizierungsprojekten. «Solche Auswirkungen wären nicht nur verkehrs- und klimapolitisch kontraproduktiv, sondern auch regionalpolitisch und sozialpolitisch kaum vertretbar.»
Für die LITRA ist daher klar: Statt Kürzungen brauche es eine substanzielle Erhöhung um rund 320 Millionen Franken, damit das Rückgrat des täglichen Pendlerverkehrs nicht ausgedünnt werde.

Der öffentliche Verkehr ist weit mehr als ein Kostenfaktor: Er verbindet Regionen, stärkt die Wirtschaft und trägt entscheidend zu Arbeits-, Umwelt- und Energiezielen bei.
Deshalb lehnt die LITRA die geplanten Kürzungen im öV im Rahmen des EP27 klar ab. -> Stellungnahme der LITRA zum Entlastungspaket 27








