20. 03. 2025
20. 03. 2025
Schuldenbremse darf nicht zur Mobilitätsbremse werden: Die LITRA-Sessionsveranstaltung im Zeichen der Sparmassnahmen
Der Bund muss sparen. Aber in welchem Bereich? Und welchen Beitrag kann die öV-Branche zu einem gesunden Finanzhaushalt leisten? Im Rahmen der Sessionsveranstaltung der LITRA im Hotel Bellevue in Bern diskutierten Ende März EVF-Direktorin Sabine D’Amelio-Favez und Vertreterinnen und Vertreter aus der öV-Branche und der Politik über das Entlastungspaket 2027. Mehr als 100 geladene Gäste folgten der Diskussion und liessen es sich nicht nehmen, sich anschliessend während des gemeinsamen Mittagessens rege über die Zukunft des Schweizer öV auszutauschen.

Wo soll der Bund im Verkehrsbereich sparen? Michael Bützer, Daniel Schafer (BLS), Sabine D’Amelio-Favez (EFV), Regierungsrat Fabian Peter (KöV), Fabian Schmid (RBS), und Martin Candinas. © LITRA
Das liebe Geld. Kaum ein anderes Thema gibt in Bundesbern aktuell so viel zu diskutieren wie der angespannte Finanzhaushalt – und damit verbunden die Frage, wo gespart werden soll. Von den vorgeschlagenen Sparmassnahmen ist auch der Verkehr – sowohl auf der Strasse als auch auf der Schiene – nicht verschont geblieben; ist der Verkehrsbereich doch der drittgrösste Ausgabenposten des Bundes.
Und die öV-Branche ist durchaus bereit, ihren Beitrag zu einem ausgeglichenen Finanzhaushalt zu leisten, wie LITRA-Präsident Martin Candinas im Rahmen der Sessionsveranstaltung der LITRA in Bern betont.
«Die öV-Branche kann ihren finanziellen Beitrag primär leisten, indem sie mehr Menschen in den öV bringt und laufend effizienter wird. Gleichzeitig müssen wir aber aufpassen, dass unser hochwertiges öV-System mit kurzfristigen Sparmassnahmen nicht langfristig geschwächt wird.»

Für LITRA-Präsident Martin Candinas ist klar: Auch die öV-Branche wird ihren Beitrag zu einem gesunden Finanzhaushaltleisten, ein Angebotsabbau im Schweizer öV sei jedoch keine Alternative. © LITRA
Denn der öV in der Schweiz, er bewegt – nicht nur politisch und medial, sondern ganz konkret die Menschen in der Schweiz. «Seit nunmehr fünfzehn aufeinanderfolgenden Quartalen verzeichnen wir im Schienenpersonenverkehr eine bemerkenswert positive Dynamik», betont Martin Candinas.
«Im vergangenen Jahr wurde mit fast 23 Milliarden Personenkilometern ein absoluter Rekord bei den Bahnen aufgestellt.»
Die Schweiz – ein Land von Pendlerinnen und Pendlern
Beliebt ist der öV nicht zuletzt bei Pendlerinnen und Pendlern. Das zeigt der Blick in die aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS). Demnach ist der Anteil der öV an den Hauptverkehrsmitteln bei den rund 3,6 Millionen Arbeitspendlerinnen und -pendlern von 27,3 Prozent (2020) auf 30,5 % (2023) gestiegen.
Gleichzeitig ist der Anteil der Fahrten mit dem eigenen Auto im selben Zeitraum zum ersten Mal auf unter 50 Prozent gesunken (2023: 49,8%).

Der öV-Anteil bei den Pendlerinnen und Pendlern nimmt zu, während der Anteil der Fahrten mit dem eigenen Pkw sinkt. © LITRA
Hinzu kommt, dass der öV für Pendlerinnen und Pendler in der Schweiz auch finanziell attraktiv ist. Aus der kürzlich aktualisierten Preisvergleichsstudie der LITRA ist ersichtlich, dass die kaufkraftbereinigten öV-Preise in der Schweiz im internationalen Vergleich im Mittelfeld liegen. Vor allem Vielreisende – wie Pendlerinnen und Pendler – profitieren hierzulande von vergleichsweise günstigen Angeboten.
Zudem ist der Preis nur einer von vielen Faktoren, die zur Gesamtleistung eines öV-Systems beitragen. Um ein Dienstleistungsangebot angemessen zu bewerten, reicht es nicht, lediglich Preise zu vergleichen. Entscheidender ist die Frage: Was bekomme ich für mein Geld?
«Und in Bezug auf die Qualität des öV-Angebots heben wir uns hierzulande deutlich vom Ausland ab», betont Martin Candinas. «Sei es die Dichte des Netzes, die Häufigkeit der Verbindungen oder die Pünktlichkeit – unser öffentliches Verkehrssystem ist unseren Nachbarländern in all diesen Punkten deutlich voraus.» Lediglich bei den Hochgeschwindigkeitsverbindungen haben andere Länder die Nase vorn.

Im Bereich der Angebotsqualität trumpft der Schweizer öV vor allem mit einer hohen Angebots- und Netzdichte und einer hervorragenden Pünktlichkeit gross auf. © LITRA
Der öV als wichtiger Akteur in einer nachhaltigen Mobilität
Diesem hochstehenden System gelte es unbedingt Sorge zu tragen. Nicht zuletzt die zentralen Alleinstellungsmerkmale des Schweizer öV wie der abgestimmte Taktfahrplan, pünktliche, schweizweite Verbindungen und das integrierte Tarifsystem mit einem Ticket für eine Reise seien auch in der Bevölkerung breit verankert.
«Unser öV-System, das rund zur Hälfte durch Bund und Kantone finanziert wird, ist für unsere Volkswirtschaft unentbehrlich geworden», erklärt Martin Candinas. «Ebenso ist es ein zentrales Element für unsere zukünftigen Mobilitätslösungen.»
Für den LITRA-Präsidenten ist klar, dass die Schweiz ihr renommiertes und in der Bevölkerung gut verankertes öV-System nicht mit falschen Sparübungen in Gefahr bringen darf.
«Im Infrastrukturbereich darf die Schuldenbremse nicht zur Infrastrukturbremse werden. Denn nicht realisierte und in die Zukunft verschobene Investitionen und Unterhaltsarbeiten und notwendige Ausbauten von Infrastrukturen sind faktisch nichts anders als Schulden, die wir den nächsten Generationen aufbürden.»

Laut einer SRF-Umfrage lehnen 95 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer Sparmassnahmen im öV ab. © LITRA
Sparen ja, aber wo und wie?
Und doch ist klar: der Bund muss sparen – auch im Verkehrsbereich. Wie das aussehen könnte und in welchen Bereichen der Bund im Rahmen der Mobilität Einsparungen vorsieht, zeigte Sabine D’Amelio-Favez. Die Direktorin der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) informierte die geladenen Gäste im Rahmen ihres Redebeitrags über die im Entlastungspaket vorgeschlagenen 27 Massnahmen im Verkehrsbereich.
«Wichtig ist dabei, dass die Sparmassnahmen ausgewogen verteilt sind. Alle Aufgabengebiete sollen einen Beitrag zum Entlastungspaket leisten – nicht nur, aber auch der Verkehrsbereich», betont Sabine D’Amelio-Favez.

EFV-Direktorin Sabine D’Amelio-Favez stellt im Rahmen der Sessionsveranstaltung das Entlastungspaket 2027 im Detail vor und zeigt auf, in welchen Verkehrsbereichen Einsparungen diskutiert werden. © LITRA
Im Anschluss an das Referat der Direktorin der Eidgenössischen Finanzverwaltung äusserten sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion drei Direktbeteiligte zu den vorgeschlagenen Massnahmen.
Gemeinsam mit LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer diskutierten Fabian Schmid, CEO der RBS, Daniel Schafer, CEO der BLS, und Regierungsrat Fabian Peter, Präsident der KöV, über die vorgeschlagenen Massnahmen und ihre Folgen für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz.

Podiumsdiskussion mit Fabian Schmid (RBS), Daniel Schafer (BLS) und Regierungsrat Fabian Peter (KöV), zusammen mit LITRA-Geschäftsführer Michael Bützer, zu den geplanten Sparmassnahmen im öffentlichen Verkehr. © LITRA
Darüber ist man sich bei der Sessionsveranstaltung der LITRA einig: Die Schweiz tut gut, das gut ausgebaute, national etablierte und international bewunderte öV-System nicht aufgrund kurzfristiger Sparmassnahmen langfristig zu schaden.
«Im Unterschied zum motorisierten Individualverkehr sind Massenverkehrsmittel nämlich ein langfristiges, kapitalintensives Geschäft. Der öV benötigt grosse Investitionen in Infrastrukturen und Fahrzeuge, um qualitativ hochstehende Angebote zu betreiben», erklärt Martin Candinas.

Mehr als 100 geladene Gäste folgten der Diskussion und liessen es sich nicht nehmen, sich anschliessend während des gemeinsamen Mittagessens rege über die Zukunft des Schweizer öV auszutauschen. © LITRA
Kurzfristige Sparmassnahmen führen deshalb fast unweigerlich zu einem Abbau von öV-Angeboten, was sich wiederum auf die öV-Nutzung niederschlägt.
Für den LITRA-Präsidenten ist daher klar: «Auch der öV muss seinen Beitrag zur Gesundung des Bundeshaushalts leisten. Gegen kontraproduktive Sparvorschläge wird sich die LITRA jedoch entschieden wehren – denn zu qualitativ hochstehend ist das Schweizer öV-System.»






