10. 02. 2016

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10. 02. 2016

Ligurische Häfen werden ausgebaut

Übersee-Containerverbindungen mit der Schweiz werden heute zu 97 % über die Nordseehäfen abgewickelt. Das könnte sich ändern, indem sich ein beachtlicher Teil des Fernostverkehrs in die Ligurischen Häfen verschiebt. Die Transportzeit lässt sich damit um 5 – 7 Tage verkürzen.

Naheliegenderweise müsste sich eigentlich der gesamte Containerverkehr zwischen Fernost und der Schweiz über die adriatischen oder ligurischen Häfen abwickeln. Da dazu alle Schiffe den Suezkanal durchqueren wäre der Seeweg zu diesen Häfen um gut 3000 km kürzer. Auch die anschliessende Landverbindung wäre um die Hälfte kürzer als ab den Nordseehäfen.
Und warum ist dem nicht so? Die Nordseehäfen haben ihre Anlagen ab den 80er Jahren stark ausgebaut und optimiert. Der eigentliche Seetransport wurde so günstig, dass sich die Kosten dazu, durch den optimierten Hafenumschlag und Abtransport, bei weitem ausglichen. Die italienischen Häfen jedoch verschliefen den Ausbau ihrer Anlagen zu lange und wurden ineffizient.
Durch das zurückholen des Verkehrs von 3 Mio. TEU[1], liesse sich in Italien eine jährliche Wertschöpfung von gut 2 - 4 Milliarden Euros erzielen. Die will nun Italien!
Allen adriatischen Häfen gemeinsam ist, dass sie landseitig durch Steilküsten und Bebauungen kaum über Ausbaumöglichkeiten verfügen. Die Grundidee des Plans «Retroporti» ist nun, die Hafenanlagen durch die Verlegung des Containerhandlings in Hinterland-Terminals zu entlasten. Dazu wird der Bahnverkehr zwischen den Häfen und den Terminals mittels im dichten Takt verkehrenden Containerzügen massiv ausgebaut. Von den ankommenden Schiffen werden die Container umgehend auf die Bahnwaggons verladen und erst in den Terminals zwischengelagert und zu den einzelnen Zieldestinationen weitergeleitet. Umgekehrt bringen die Züge ab den Terminals die Container zeitrichtig zu den einzelnen Schiffen.

Häfen

In Vado Ligure, bei Savonna, entsteht bis 2018 auf einer aufgeschütteten Rechteckfläche von 700 auf 300 Meter ein neuer Containerterminal an dem bis zu drei der grössten Schiffe von 400 m Länge und einem Tiefgang von bis zu 22 m anlegen können. Die Jahreskapazität wird bei 860‘000 TEU liegen. An den Kosten von 450 Mio. Euro beteiligt sich die weltweit grösste Containerreederei Maersk mit 150 Mio. Euro. In unmittelbarer Nähe auf dem Festland entsteht bis 2017 auf 3,5 ha ein Containerterminal mit vier Bahngleisen zu 500 m Länge welches in kurzer Verbindung zum Güterbahnhof steht. Der Bahnanteil am Hafenumschlag soll 40 % erreichen, was 18 Containerzügen pro Tag entspricht.
Auch in La Spezia stehen grosse Ausbauten an. An vier Stellen sollen Landaufschüttungen mit zusammen über 29 ha erfolgen. Die jährliche Umschlagsleistung soll sich von heute 1,3 Mio. TEU auf 1,8 Mio. erhöhen. Bis 2019 sollen die Ausbauten für gut 3 Mrd. Euro bereits realisiert sein.
Alle ligurischen Hafenausbauten in Vado Ligure, Savona, Prà, Genova und La Spezia zusammen ermöglichen bis 2030 eine Verdopplung des jährlichen Containerumschlages auf 6,6 – 7,6 Mio. TEU.

Terminals

In dem Konzept «Retroporti» spielen die weiter ausgebauten Hinterland-Terminals die entscheidende Rolle. Da heute in Italien die maximale Zugslänge 500 m beträgt, soll im Verkehr zwischen den Terminals und den Häfen diese Zugslänge beibehalten werden. Aber im Verkehr zwischen den grossen norditalienischen Terminals und der Schweiz wird auf 2020 hin eine Zugslänge von 750 m angestrebt, so wie dies ab dann auch im Transit durch die Schweiz möglich wird. Zwei der konzeptionell wichtigsten Terminals sind:
Rivalta, 15 km östlich von Alessandria. Es besteht auf freiem Feld ein sich im Aufbau befindender Terminal mit einer Fläche von 50 ha und fünf 750 m langen Gleisen. Umgeschlagen werden bereits jährlich 350‘000 TEU mit dem Ziel von 600‘000 TEU. In den Terminal flossen bereits Investitionen von 66 Mio. Euro und es bestehen auf weiteren 70 ha gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich ein riesiger Lagerhallenkomplex mit Zolllager und Kommissionierungen.
In Melzo, 18 km östlich von Milano, liegt einer der bekanntesten Terminals. Auch hier laufen massive Investitionen, kürzlich konnte ein neuer Terminalteil mit vier 750 m langen Gleisen in Betrieb gehen. 2016 sollen dazu zwei Portalkrananlagen folgen.

Schweiz

Bei all den Investitionen spielt der Gotthard-Basistunnel eine nicht unbedeutende Rolle. Denn damit lässt sich das Einzugsgebiet der ligurischen Häfen bis nach Süddeutschland ausweiten. Insbesondere durch die sich im Bau befindende Schnellfahrstrecke für 250 km/h mit lediglich 11 ‰ Steigung von Genova nach Norden lässt sich die Transportmenge der Bahn massiv steigern. Die Zuverlässigkeit der Häfen ist stark gestiegen, so gab es in La Spezia seit 20 Jahren keinen einzigen Streik mehr. In der Schweiz werden die Ausbauten von diversen Marktteilnehmern intensiv verfolgt, so wickeln die Grossverteiler Migros und Coop bereits einen beachtlichen Teil ihres Warenflusses über die ligurischen Häfen ab und sind stark daran interessiert diesen Anteil massiv auszubauen. Die um fast eine Woche kürzere Transportzeit ist dabei der entscheidende Aspekt.
Jürg D. Lüthard, Zürich
Quellen:
Savona / Vado Ligure
www.porto.sv.it/en/
La Spezia
www.porto.laspezia.it/it/il-porto/crociere-1/industria-delle-crociere-2010/at_download/file
www.porto.laspezia.it/it/il-porto/presentazione-progetto-waterfront/at_download/file
Genova
www.porto.genova.it/
Rivalta
www.rivaltaterminal.com
Melzo
www.contshipitalia.com/en/our-network