06. 09. 2018

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06. 09. 2018

Ein Trolleybus in Zürich, der auch ohne Oberleitung fährt

Trolleybusse erfreuen sich in Schweizer Städten noch immer grosser Beliebtheit. Der Ausbau der Oberleitungen stösst aber mitunter auf Widerstand. Hier schliesst der Bushersteller Carrosserie Hess AG (Bellach/SO) nun eine Lücke: Der neu entwickelte 'Swiss Trolley plus' ist mit einer leistungsfähigen Batterie ausgestattet und kann so auf Linien eingesetzt werden, die nur teilweise mit Oberleitungen ausgerüstet sind. Auch beim Energiekonsum setzt der neue Bus Massstäbe: Dank Leichtbauweise und ausgeklügeltem Energiemanagement spart er gegenüber einem herkömmlichen Trolleybus mindestens 15% Energie. Der Blog von Benedikt Vogel.

Wer als Passagier auf der Buslinie 33 quer durch die Stadt Zürich unterwegs ist, fühlt sich wie in jedem anderen Schweizer Trolleybus. Dabei kommt auf dieser Strecke seit Mai 2017 ein Fahrzeug zum Einsatz, das es so bisher nicht gab: Der Bus ist mit einer Batterie ausgerüstet und kann auch auf längeren Strecken fahren, die nicht mit Oberleitungen ausgerüstet sind. Der Wechsel zwischen beiden Betriebsarten erfolgt, ohne dass die Fahrgäste etwas mitbekommen. Buschauffeur Fatmir Alijaj führt dem Journalisten an der Haltestelle Albisriederplatz vor, wie es geht: Während die Fahrgäste an der Haltestelle aus- und einsteigen, betätigt der Buschauffeur in der Fahrerkabine einen Knopf, und schon werden die Stromabnehmer eingezogen – 'abdrahten' heisst es im Fachjargon. Der Vorgang dauert wenige Sekunden, dann fährt der Bus weiter. Bei einer anderen Station dann der umgekehrte Vorgang: Auf Knopfdruck werden die Stromabnehmer wieder an die Oberleitungen hochgefahren. Ein Trichter sorgt dafür, dass die Stromabnehmerköpfe beim Eindrahten zuverlässig in die Leitungen einfädeln. „Das ist ein Routinevorgang, die Trefferquote liegt bei über 99%“, sagt Chauffeur Alijaj.

Weitere Linien elektrisch bedient

Der entscheidende Vorzug des neuen Busses: Er kann auf Linien eingesetzt werden, die nur auf Teilstrecken mit Oberleitungen ausgerüstet sind. Das gilt bei den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich (VBZ) zum Beispiel für die Linie 83 (Milchbuck-Hardbrücke-Bhf Altstetten). Hier kommen bisher Dieselbusse zum Einsatz, obwohl die Linie auf längeren Abschnitten parallel zu vorhandenen Trolleybuslinien verläuft. Dank des neuen Busses können die VBZ nun erstmals auch ein elektrisch betriebenes Fahrzeug einsetzen. Das neuartige Fahrzeugkonzept ist ferner Grundlage für die Elektrifizierung der wichtigen Linien 69 und 80 (beide erschliessen unter anderem die ETH Hönggerberg), die bisher mit Dieselbussen bedient werden. Für die Umstellung der Linien auf Trolleybusbetrieb müssen so nur ausgewählte Teilstrecken mit Oberleitungen versehen werden.

Abb. 1: Für Busfahrer (im Bild: VBZ-Chauffeur Fatmir Alijaj) bringt der Swiss Trolley plus nur geringe Umstellungen mit sich. Eine davon ist das programmierfähige Fahrpedal, das eine energiesparende Fahrweise begünstigt. Foto: B. Vogel

„In den ersten Monaten hat der Bus seine Praxistauglichkeit unter Beweis gestellt; abgesehen von ein paar Kinderkrankheiten hat der Swiss Trolley plus unsere Erwartungen voll erfüllt. Unsere Fahrer konnten ohne spezielle Schulung auf den neuen Bus umsteigen. Wir können mit diesem Fahrzeugkonzept bestehende Linien zukünftig ohne zusätzliche Oberleitungen verlängern“, sagt Oliver Tabbert, Projektverantwortlicher bei den VBZ. Das Antriebskonzept ermöglicht auch die Vereinfachung von komplexen Oberleitungen, beispielsweise durch den Verzicht auf selten genutzte Verbindungen, welche im Batteriemodus zurückgelegt werden können.

Leichter und energieeffizienter

Die Carrosserie Hess AG hat den Swiss Trolley plus – so der Projektname – innerhalb eines Jahres entwickelt. Die VBZ waren als Partner bei der Auslegung der Anforderungen und bei der Inbetriebnahme beteiligt. Das Bundesamt für Energie unterstützt das Industrieprojekt finanziell im Rahmen seines Leuchtturm-Programms. Der Bus vereint mehrere Innovationen: Das Gefährt ist eine Tonne leichter als ein herkömmlicher Trolleybus, wodurch es eine höhere Nutzlast hat (163 statt 150 Passagiere) – und dies obwohl die Batterie 600 kg schwerer ist als die Notbatterie, die ein herkömmlicher Trolleybus mit sich führt. Neu konzipiert sind auch Heizung, Lüftung und Kühlung (HLK): Zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen produzieren die Wärme und Kälte, die den Fahrgastraum über ein Rohrleitungsnetz heizt bzw. kühlt, zugleich aber auch für die Kühlung der Batterie sorgt. Die notwendige Mindesttemperatur im Bus kann um 2 Grad Celsius gesenkt werden, weil der Innenraum zusätzlich von der Decke mit einer Infrarotheizung bestrahlt wird.

Die Leichtbauweise und das gewählte HLK-System verbessern die Energieeffizienz des Busses. Energie sparen auch die verbesserte Rekuperation der Bremsenergie und das Antriebssystem mit Synchronmotoren. Letztere arbeiten im Vergleich zu Asynchronmotoren je nach Geschwindigkeitsbereich um bis zu 8% effizienter, sie erlauben eine kompaktere Bauweise und brauchen weniger Unterhalt. Die Trennung des Antriebstranges vom Fahrleitungsnetz durch einen Gleichspannungswandler ist auch der Grund für den effizienteren Betrieb: Während konventionelle Trolleybusse nur dann überschüssige Bremsenergie ins Netz zurückspeisen können, wenn gleichzeitig ein anderer Bus diese benötigt, kann der Swiss Trolley plus seine Batterie jederzeit mit rekuperierter Bremsenergie laden.

Abbildung 2: Blick auf das Dach des Swiss Trolley plus in der VBZ-Busgarage Hardau: Die in der weissen Metallbox untergebrachte Batterie ist 1,2 t schwer und hat eine Speicherkapazität von 60 kWh. Zum Vergleich: Ein Elektrobus mit der gleichen Fahrleistung, der während der ganzen Betriebszeit ausschliesslich aus der Batterie versorgt würde, müsste eine Batterie mit ca. 600 kWh Kapazität haben. Eine solche Batterie würde rund 5 t wiegen und würde den Bus massiv schwerer (und den Betrieb unwirtschaftlich) machen. Foto: B. Vogel
„Der Bus dürfte gegenüber herkömmlichen Trolleybussen mit 15% weniger Energie auskommen. Diese eher konservative Schätzung wird durch die bisherigen Betriebsdaten bestätigt“, sagt Hans-Jörg Gisler, der das Projekt für die Carrosserie Hess AG betreut hat, und ergänzt: „Weitere 8 bis 10% Energieersparnis streben wir mit dem Energiemanagementsystem an.“ Das Energiemanagementsystem wurde durch die ETH Zürich entwickelt und wird im Bus schrittweise implementiert (vgl. Textbox)

Der Autor Benedikt Vogel arbeitet als Wissenschaftsjournalist. Vor seiner selbständigen Tätigkeit hat er als Ressortleiter und Redaktor bei der Basler Zeitung gearbeitet. Der Blogartikel entstand im Rahmen eines Mandats des Bundesamts für Energie. Er erscheint hier in einer gekürzten Version.
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