28. 01. 2021

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28. 01. 2021

Bahninfrastruktur der Zukunft für die Bahn der Zukunft

Sie befördert Fahrgäste komfortabel, sicher und mit minimalem Platzbedarf. Sie verbindet Metropolen direkt und schnell. Grösste Gütermengen über lange Distanzen transportiert sie effizient und zuverlässig. Sie braucht wenig Energie und die Elektromobilität bewährt sich bei ihr seit über hundert Jahren. Um ihre Haltepunkte entfalten sich Wohnen und Arbeiten. Sie ist für alle Menschen zu gleichen Bedingungen zugänglich und garantiert damit Mobilität für die ganze Gesellschaft. Kurz: Die Eisenbahn bietet sich als Mobilitätsträgerin der Zukunft geradezu an.

Im 19. Jahrhundert entstanden, vor fünfzig Jahren totgesagt, ist eine nachhaltige Welt im 21. Jahrhundert ohne die Eisenbahn undenkbar – leistungsfähig, sicher, zuverlässig, umweltfreundlich. Die Bahninfrastruktur ist das tragende System der Eisenbahn, deren Erhaltung die Schlüsselgrösse für die Bahnzukunft. Möglich macht all dies die Spurführung mit ihrer Rad-Schiene-Technik. Eisenbahn – Chemin de fer – Ferrovia – Railway: Der Name ist Programm und die Hightech des 19. Jahrhunderts. Auch bei Brücken, Tunnels, Tiefbau, Telekommunikation und Stromversorgung reizte die Bahn alle technischen Möglichkeiten aus. Und noch bis weit ins 20. Jahrhundert waren die Bahnen die einzigen Organisationen, die zu Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung eines grosstechnischen Netzes in der Lage waren. Wie schrieb doch Friedrich Dürrenmatt in «Auto- und Eisenbahnstaaten»:

«Aber ein Fahrplan hat zu stimmen. Damit der Fahrplan stimmt, hat die Organisation zu stimmen. Dass die Organisation stimmt, ist die Aufgabe der Eisenbahngeneraldirektion, diese muss, soll alles stimmen, unfehlbar sein, omnipotent.»

Natürlich haben sich die Zeiten gewandelt und die Bahn scheint nicht mehr die bedeutende Technologietreiberin zu sein. Und vielleicht würde man die Eisenbahn heute auch anders benennen, denn sie ist nun ein von IT geprägtes System. Fast unbemerkt wurde die Bahninfrastruktur nahezu vollständig automatisiert und ist damit der grösste Roboter der Schweiz. Dies ist kein Zufall: Zum ersten steht die Bahn unter höchstem Wirtschaftlichkeitsdruck. Die Stellwerkfernsteuerung und die damit ermöglichte Automation der Betriebsabläufe hat einen markanten Produktivitätsschub gebracht. «Ds Lied vo de Bahnhöf» von Mani Matter ist mittlerweile ein Blick in eine längst vergangene Zeit:

Und dr Bahnhofvorstand leit d'Mützen a
S'fahrt e Schnällzug verby
Und es luftet no gäng
Waretdäm, dass dr Vorstand scho sy Huet wider abziet

Zum Zweiten aber bietet sich die Bahn als hierarchisch geplantes System für die Automation geradezu an. Mathematik, Informatik, Künstliche Intelligenz eröffnen nun einen weiteren Schritt, nämlich jenen der permanenten Optimierung des laufenden Betriebes. Damit lassen sich je nach Konstellation zusätzliche 10 bis 20 % Kapazität aus den vorhandenen Anlagen herausholen. Diese Aufgabe ist so komplex, dass sie wieder an die Grenzen des Machbaren stösst.

Trotzdem: Die Fahrbahn ist und bleibt buchstäblich das tragende System und auch das teuerste. Ein einfacher Spurwechsel kostet so viel wie ein Einfamilienhaus. Die Erhaltungskosten der gesamten physischen Bahninfrastruktur entsprechen etwa den Verkehrseinnahmen. Damit wird die Erhaltung der Bahninfrastruktur zu einer Schlüsselgrösse für die Bahnzukunft. Jeder Franken für die Erhaltung geht kundenorientierten Investitionen verloren und die Bahn droht, Marktanteile zu verlieren. Ist der Unterhalt aber zu gering, so zerfallen die Anlagen und die Defekte häufen sich, mit dramatischen Kundenreaktionen. Sensorik und Künstliche Intelligenz können auch hier helfen: Sie erlauben Eingriffe zur richtigen Zeit, nicht zu früh und nicht zu spät. Drohende Komponentenausfälle erkennen sie frühzeitig und die betreffenden Bauteile lassen sich auswechseln, bevor sie den Betrieb lahmlegen. Geld gespart, Verfügbarkeit verbessert, Substanz gesichert, Kunden zufrieden!

Bloss: Wer beherrscht diese gesamte Komplexität – vom Gleisbau bis zu Big Data? Die Antwort: Niemand kann das alleine und es ist auch nicht nötig. Die Eisenbahn war stets interdisziplinär, und nun kommen einfach weitere Fachrichtungen hinzu. Die Fahrbahnexpertin braucht es genauso wie den Informatiker, die Mathematikerin und den Starkstromspezialisten. Wer Systemdenken liebt: Hier ist es gefragt. «Die Eisenbahn» als solche kann man nirgends erlernen, wohl aber an den beiden technischen Universitäten der Schweiz und an vielen Fachhochschulen die zeitgemässen Methoden zur Lösung von Aufgaben der Bahn und das Denken in Systemen. Auf diese Weise kann die Bahn von den vielfältigen Forschungs- und Entwicklungsfortschritten in den verschiedensten Gebieten profitieren und diese rasch übernehmen. Sie bietet damit spannende Aufgaben für Studienabgänger/innen der ETHs und der FH, aber auch für Quereinsteiger/innen mit Industrieerfahrung. Und sie ist eine Arbeitgeberin mit zahlreichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus diversen Berufsrichtungen. Mit einem solchen Team ist die Bahn für ihre Mission im 21. Jahrhundert gerüstet..