27. 02. 2020
27. 02. 2020
10 Jahre Sparbillette – Attraktive Preise und höhere Nachfrage für den öV
Mit 45'979 abgesetzten nationalen Sparbilletten wurde am 1. Dezember 2019 ein neuer Absatzrekord erzielt. Eine Zahl, die bei der Einführung des Produktes vor 10 Jahren als utopisch abgetan worden wäre. Sparbillette erfreuen sich bei den öV-Kunden steigender Beliebtheit. Wie kam es dazu? Der Blogbeitrag von Reto Lüscher (SBB).
Der Schweizer öV ist eine Erfolgsgeschichte und geniesst den Rückhalt von Bevölkerung und Politik. Die hohe Pendler-Nachfrage am Morgen und Abend bestimmt Bahninfrastrukturausbauten und Taktdichte. Tagsüber bleiben aber viele Sitzplätze in der Schweiz leer. Bei der SBB beträgt die durchschnittliche Auslastung knapp 30%. Diese Zahl ist tief, birgt aber auch viel Potenzial. Gelingt es, mehr Personen ausserhalb der Pendlerzeiten für den öV zu gewinnen, können die Einnahmen gesteigert werden, ohne dass die Kosten signifikant zunehmen würden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Steigerung des Freizeitverkehrs ein wichtiges strategisches Ziel in Verkehrsstrategien der Kantone, in Preisstrategien einzelner regionaler Tarifverbünde und in der nationalen Preisstrategie des öV ist.
Unsere Kundinnen und Kunden haben unterschiedliche Zahlungsbereitschaften. Während die Abonnemente für einen grossen Teil der Bevölkerung eine preislich attraktive Alternative zum Auto darstellen, schneidet der Normaltarif bei den Einzelbilletten schlecht ab (vgl. Litra 2018, Angebote und Preise des öV Schweiz im internationalen Vergleich). Im Freizeitverkehr liegt aber ein grosses Potenzial von Kunden, die preislich günstig unterwegs sein wollen und zeitlich flexibel sind, brach.
Die Kombination aus den vielen nicht belegten Plätzen und dem Potenzial bei preisaffinen Kunden führte 2009 zum ersten Test mit nationalen Sparbilletten bei der SBB. Der Preis für Einzelfahrten wird dank dem Rabatt sehr attraktiv: Bern – Zürich HB ist retour mit Halbtaxabonnement für 15.60 CHF statt 51 CHF zu haben. Dafür verpflichten sich die Kunden zur Benutzung einer schwach ausgelasteten Verbindung. Heute bieten neben der SBB auch die Appenzeller Bahnen, BLS, MGB, PostAuto, RhB, Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstädtersee, SOB, tpf und Zentralbahn auf ihren Strecken aktiv Rabatte auf dem Normaltarif mittels Sparbilletten an. Sparbillette werden – wie gewöhnliche Billette – durchgängig vom Start- zum Zielhaltepunkt angeboten. So ist z.B. ein Sparbillett von Basel SBB auf die Rigi erhältlich, wobei die SBB auf dem IC 2 / IR 46 von Zürich nach Arth-Goldau «aktiv» Rabatt appliziert, während die Rigi-Bahnen «passiv» am Sparbillett teilnehmen.
Der Absatz von Sparbilletten hat in den letzten Jahren stark zugenommen (siehe Abbildung 1).
Auslöser der ersten Absatzzunahme war die Preiserhöhung im öV per Dezember 2014, welche aufgrund einer Deckungslücke im regionalen Personenverkehr erfolgte. Daraufhin hat der Fernverkehr der SBB in Abstimmung mit dem Preisüberwacher die erfolgte Preiserhöhung mittels Sparbilletten den Kunden zurückgegeben. Aufgrund der positiven Resonanz der Kunden wurde das Angebot der Sparbillette laufend ausgebaut. Im Jahr 2019 wurden 8.8 Millionen Sparbillette verkauft.
Sparbillette werden ganz besonders in der Westschweiz stark nachgefragt, auf der Achse Lausanne–Genf werden am meisten Sparbillette verkauft (siehe Abbildung 2). Es folgen das Dreieck Basel/Bern/Zürich und die Strecke von Zürich nach Luzern. Im Raum Ostschweiz werden verhältnismässig wenige Sparbillette verkauft. Die Ostschweiz ist tarifarisch geprägt von den grossen Tarifverbünden Ostwind und Z-Pass, wobei für verbundinterne Relationen keine Sparbillette angeboten werden dürfen. In verbundlosen Gebieten wie dem Wallis ist die Nachfrage wiederum hoch, so liegt Sion bspw. auf Rang 9 der Abgangs- bzw. Zielbahnhöfe und insgesamt sind 5 Walliser Bahnhöfe in den Top-25.
Nach 10 Jahren Sparbillette steht fest: Es gibt ein grosses Potenzial an preisaffinen Personen, welche ohne die Sparbillette dem öV fernbleiben würden (siehe Kasten "Positive Effekte der Sparbillette"). Damit die Auslastung signifikant verbessert werden kann und das öV-System effizienter wird, muss das Sortiment weiter an Attraktivität gewinnen. Entsprechend sollen die Sparbillette auch weiterhin mindestens in ähnlichem Ausmass für flexible und preissensitive Kunden in Ergänzung zum Normaltarif angeboten werden. Konkrete Verbesserungen können im Verlauf des Jahrs 2020 erwartet werden: Mit gezielten Partnerschaften sollen Sparbillette auch als Mittel der Tourismusförderung eingesetzt werden. Angestrebt werden Kooperationen im Wallis und entlang der Gotthard-Bergstrecke. Verschiedene Tarifverbünde prüfen zudem, ob Sparbillette auch innerhalb des Verbunds angeboten werden sollen.
Zum Autor
Reto Lüscher hat an der Universität Bern Volkswirtschaftslehre studiert und verantwortet bei der SBB zusammen mit seinem Team die Sparbillette-Steuerung. Der Blog-Artikel ist angelehnt an den Artikel «Zehn Jahre Sparbillette - Zwischenbilanz und Ausblick» erschienen in der November-Ausgabe 2019 der Schweizer Eisenbahn-Revue.
Positive Effekte der Sparbillette:
- Absatz: Die 8.8 Millionen Sparbillette wurden proportional stärker in der Westschweiz und von 16-25-jährigen sowie von über 50-jährigen Personen gekauft. Am meisten Sparbillette werden für die Strecke Lausanne – Genf verkauft.
- Mehrverkehr: Ein Drittel aller Sparbillett-Kunden hätte ohne Rabatt die Fahrt nicht oder mit dem Auto angetreten (2.9 Millionen zusätzliche Fahrten im Jahr 2019 für den öV in der Schweiz).
- Kundenlenkung: Rund 1.5 Millionen Kundinnen und Kunden wechselten von stark auf schwach ausgelastete Züge.
- Preisimage: Einzelbillette werden in der Kundebefragung der SBB bezüglich Preis-Leistung mit 57.3 von 100 Punkten bewertet. Die Sparbillette mit 78.0 Punkten besitzen das Potenzial, das Image des teuren öV zu bekämpfen, so dass dieser als bezahlbare Alternative zum Auto bei den Kunden verstärkt in den Fokus rückt.
Quelle: SBB Marktforschung & Absatzstatistiken Direkter Verkehr Schweiz 2019.